Eine Frau aus meinem Kurs hat eine Nachricht auf WhatsApp gepostet. (Wir teilen uns ja nicht nur mit, welche oder ob überhaupt wir Hausaufgaben haben.) Sie sieht gerade einen Film, der sie froh macht. „Unser Deutschland. 2 Syrer auf Winterreise.“ Klingt interessant. Aber auch ungewöhnlich.  Haben wir doch in den letzten Wochen – einzeln oder gemeinsam – vor allem Filme angeschaut, die uns berührt und/oder frustriert haben. Filme wie „My escape“ z. B., in dem Menschen ihre Flucht mit dem Handy dokumentiert haben. Das war gruselig. Ich konnte ihn mir nur etappenweise anschauen.

Fast noch gruseliger der Kommentar eines nahe stehenden Menschen. „Aha. Die denken in einer solchen Situation also zuerst an ihr Handy, ja?“ Es folgte eine kurze Pause, in der ich sprachlos war. „So was kann man fälschen.“

Natürlich kann man Material fälschen. Aber erstens sah das verdammt echt aus, und wie kriegt man das hin, dass Kinder so überzeugend lügen, und was sollte zweitens der Sinn sein? Stimmung machen für Flüchtlinge? Seht her, was wir auf uns nehmen, nur um zu euch zu kommen? Weil wir uns von euch so etwas wie die Achtung unserer Menschenwürde erhoffen? Und dann sehen das die Deutschen und rufen sofort: Ja in Gottes Namen, dann kommt eben?

Aber ich will mir ja diese Dokumentation ansehen, die unsere Kollegin so froh gestimmt hat. Tarik und Fadi, zwei Männer aus Syrien, haben sich auf den Weg gemacht. Vom Süden in den Norden Deutschlands. Im Winter. Eine Winterreise eben. Die sie ohne diese Doku natürlich niemals hätten unternehmen können, wovon auch. Die zwei sind erst ein paar Monate hier, haben keine Arbeit, kein Geld. Ihnen fehlt der richtige „Titel“. Die Aufenthaltserlaubnis.

Human dignity can not be touched. Dieser erste Satz unserer Verfassung hatte Tarik besonders beeindruckt. Er hatte ihn immer wieder gelesen. Den Rest dann auch. Darum wollte er nach Deutschland. Weil die Menschenwürde in Syrien nichts gilt. Deswegen ist er geflohen. Sein Freund Fadi spricht übrigens lieber von Neuländern, nicht von Flüchtlingen. Das gefällt mir. Vielleicht müssen wir sowieso neue Wörter finden, darüber habe ich auch schon nachgedacht.

Die beiden treffen auf ihrer Reise freundliche, hilfsbereite Menschen, aber auch Pegida-Anhänger. In der Stuttgarter Oper beeindruckt sie die Aufführung von „Salome“, was vermutlich kein Wunder ist, da die Parallelen zur heutigen Situation in Syrien und zum IS unübersehbar und beabsichtigt sind.

Es gibt schöne Momente, witzige, und andere, die mich sehr bewegen. Als Tarik im KZ Buchenwald mit den Tränen kämpft, sich dann abwendet und fort geht, da weine ich mal wieder.

Später notiere ich mir noch etwas von dem, was  Tarik gesagt hat.

„Ich glaube, die meisten Syrer haben Angst vor den Deutschen. Es ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Syrien ist voll von Korruption. Eine gescheiterte Regierung, ein gescheitertes Land. Dann ziehst du in eines der erfolgreichsten Länder der Welt. Du fühlst, dass du anders bist. Und merkst, dass du dich integrieren musst…..Es ist eine Kopfsache. Wenn die Deutschen es schaffen, den Syrern Selbstvertrauen zu geben, wenn sie ihnen zeigen, dass sie es schaffen können, dann werden sie erfolgreich sein.“

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