Warum ich nach einer anregenden Bücherrunde, nach Paella und Rotwein noch unbedingt den Laptop einschalten muss, ich weiß es nicht. Eine Art Pawlowscher Reflex am Sonntagabend. Der Tatort vorhersehbar, Anne Will eigentlich auch. Die Stirn in Falten gelegt, besorgt und bekümmert drein blickend, pastoral irgendwie. In den Medien ist es gerade chic, betroffen zu sein. Nicht vom rechten Mob. Von der Kanzlerin. Die sich davon nicht beeindrucken lässt.
Niemals hätte ich vermutet, dass ich mir eines Tages Sorgen um Frau Merkel machen würde. Aber ich hätte auch nie vermutet, dass sie mich beeindrucken könnte. Mit ihrer Menschlichkeit beim Thema Flüchtlinge, vor allem aber mit ihrer Unbeugsamkeit in diesem Punkt. Manche nennen das Sturheit, ich denke eher, das hat etwas mit einem vorhandenen Rückgrat zu tun.
Aber natürlich sehen das viele Menschen anders. Besorgte Menschen in der Bevölkerung. Menschen aus anderen Parteien. Aus diesem ominösen Konstrukt EU. Nicht zu vergessen die außerordentlich besorgten Menschen in der eigenen und der Schwestern-Partei. Soziale oder demokratische Christen. (Manche dieser Menschen leider auch außerordentlich gering gebildet, da könnte ein Integrationskurs eventuell Abhilfe schaffen.)
Ach, ich habe schlechte Laune. Dabei könnte ich doch froh sein. Wir haben eine Kanzlerin, die ein Gewissen hat. Eine, die nicht korrumpierbar ist. Der es nicht um Macht geht. Zumindest vermute ich das, seit ich 2009 die Ausstellung von Herlinde Kölbl im Gropius-Bau gesehen habe. Sehr beeindruckend damals die Langzeitstudie Spuren der Macht. Bei den Herren Fischer und Schröder konnte man diese Spuren nämlich sehr schön beobachten. Die Brust immer stolzer geschwellt, der Blick von Jahr zu Jahr gönner- bzw. gockelhafter. Während Frau Merkel einfach nur vor sich hin alterte. Unspektakulär. Keine Allüren. Pfarrerstochter eben. So etwas kann sogar eine bekennende Nicht-und-unter-gar-keinen-Umständen-CDU-Wählerin erkennen.