Der Weihnachtsmarkt im Erdgeschoss des KDW kann einen das Fürchten lehren. Deutsche Gemütlichkeit. Oder das, was die Dekorateure sich darunter vorstellen. Ein überdimensionaler weißer Porzellanschwan mit goldener Krone lädt zum Fotoshooting ein, Kamera-Auslöser klicken, fehlt nur noch Dean Martin, der von einer weißen Weihnacht träumt. Noch schweigt er. Gott sei Dank.

Ich bin auf der Suche nach flachen Stiefeln, möglichst robust sollten sie sein, derb und trotzdem bequem, ich sollte ohne Probleme zwei Stunden darin laufen können, eine Variante mit Schnüren vielleicht. Vor 15 Jahren besaß ich solch ein Paar,  angeblich habe ich beim 60sten Geburtstag meiner Mutter einem Freund des Hauses beim Tanzen damit die Zehen platt getreten.

Dann kamen die Jahre, in denen ich meine weiblichen Anteile stärker zum Ausdruck bringen wollte.  Ich entsagte den schwarzen Klamotten, stopfte die Löcher in Hosen und Shirts, kaufte einen Hosenanzug. Und zur Jeans trug ich spitze Stiefel mit dünnem Absatz trug. Très chic. Vermutlich hätte ich vorher üben müssen, mit Mitte 40 war ich zu alt, um derartige Herausforderungen noch zu meistern. Kurz nach meinem 50sten Geburtstag fingen die Probleme an. Seit dem tut laufen weh. Laufen in den chicen Stiefeln ist eine Folter. Und  deswegen kaufe ich jedes Jahr im Herbst ein neues Paar Stiefel, die Absätze stets ein wenig breiter und flacher als im Vorjahr.

Reine Geldverschwendung. Sämtliche Paare kann ich nur noch auf Kurzstrecken einsetzen. Unsere drei Treppen hinunter und dann ab ins Auto. So etwa. Ein gescheites Paar Stiefel muss her. Eher Punk als Großmutter-Style. Dafür gehe ich sogar ins KDW. Falle allerdings schon beim Anprobieren auf, weil ich zur schwarzen Jeans blaue Strümpfe trage. Und dann auch noch 2 verschiedene Blautöne, das ist mir zu Hause gar nicht aufgefallen. Der eine Socken muss außerdem dem Mann gehören, der ist doch viel zu groß.

Trotzdem ist der junge Verkäufer sehr hilfsbereit. Von den zwei Paaren, die mir auf Anhieb gefallen, ist nur eines  in meiner Größe am Lager. Das von mir favorisierte Paar in meiner Größe befindet sich in der Auslage. Es ist ein größeres Problem, es daraus zu befreien. Vorgesetzte müssen befragt, Absprachen müssen getroffen werden, mein junger Mann darf das nicht alleine tun.  Doch tapfer setzt er sich über alle Anweisungen hinweg, und nach einer Stunde verlasse ich das Kaufhaus in meinen neuen Schuhen. Die jetzt aber ein paar Jahre halten sollten.

Leider hat mein junger Freund nur an einem Stiefel das verräterische Etikett entfernt, und als ich das nächste Geschäft betrete, ich möchte mich nur umsehen, nichts kaufen, piepe ich verräterisch. Der Türsteher lässt mich trotzdem passieren, merkt sich aber mein Gesicht. Beim Hinausgehe piepe ich natürlich auch. Ich muss dem strengen Mann meinen Rucksack geben, dann noch einmal die Schranke passieren. Der Rucksack ist sauber, ich bin es also, die piept, demzufolge muss ich die Tat in einem anderen Geschäft begangen haben.

Ich bin froh, dass der Mann nicht sofort die Polizei ruft, denn seinem Gesicht kann ich entnehmen, dass er mir die Story mit den Stiefeln, die ich gerade im KDW gekauft habe, nicht glaubt. Ich hätte den Hosenanzug anziehen sollen.

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