als wäre ein Orkan über mich hinweg gefegt. Einer, der das Gewohnte auf den Kopf gestellt und mich einmal kräftig durch geschüttelt hat. Und jetzt kann ich neu sortieren. Und ich bin keinesfalls die Einzige, die das so empfunden hat. Das bezeugten heute Mittag noch einmal die vielen begeisterten Worte des Dankes, die Tränen und die Traurigkeit. Wie soll das nur weitergehen mit uns? Jetzt, wo wir alle irgendwie weiter und mutiger geworden sind.

Ich bin wirklich neidisch. Die Anderen hatten 3 Wochen mit dem Kroaten, ich nur eine. Aber egal. Nachdem wir uns verabschiedet haben, fahre ich immer noch berauscht und elektrisiert mit der S-Bahn zum Mexikoplatz. Ein irres Gefühl, und das völlig ohne Drogen. Sitze eine Stunde am Springbrunnen und versuche, mich wieder zu beruhigen. Runter zu fahren. Rufe mir noch einmal die verschiedenen Szenen vor Augen.

Wir hatten in kleinen Gruppen mit Geflüchteten gearbeitet und am Ende das jeweilige Ergebnis präsentiert. Eine Art Performance für alle, die gerade im Haus waren und die Lust hatten, uns zuzusehen. Eine Energiespritze nicht nur für uns, sondern auch für die, mit denen wir gearbeitet hatten. Auch wenn sie anfangs doch recht skeptisch ausgesehen hatten. Was machen diese komischen Deutschen da? Was soll die Nase? Was? So kann man ein Gedicht lernen? Und selber soll ich auch eins machen, einfach so? Am Ende konnte man sehr schön beobachten, wie Kommunikation zustande kommt, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. Wie wir uns gegenseitig berühren können.

Ich vermute, es ist dieses Gefühl von Lebendigkeit, das ich so berauschend finde. Als würde eine Quelle in mir sprudeln. Und was am eigenartigsten ist für jemanden wie mich, also für jemanden, der sich selten irgendwo zugehörig fühlt, ich fühle mich nicht nur verdammt lebendig, ich bin auch Teil von etwas Größerem. Ohne jede Anstrengung.

Da ich sowieso gerade mutig bin, habe ich beim Chef noch gleich gefragt, ob ich nicht tatsächlich mein Praktikum beim Kroaten machen kann. Er war nicht abgeneigt. Und ehrlich war er gleich auch noch. In einem Heim für Geflüchtete sähe er mich nicht. Da bin ich aber froh, ich sehe mich da nämlich auch nicht. Jedenfalls nicht täglich 6 oder 8 Stunden. Schön, dass wir uns einig sind.

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