Heute war ich um fünf das erste Mal Uhr wach. In meinem Kopf sagte jemand: Steh auf und beweg dich.
Meine Morgengymnastik allein schien nicht gemeint zu sein. Joggen auch nicht, ich habe keine vernünftigen Turnschuhe. Gegen einen zügigen Morgenspaziergang sprach allerdings nichts. Das sollte ich öfter tun. Erstens hat man um diese Zeit die Stadt fast für sich allein, von den üblichen Hundebesitzern mit ihren Lieblingen einmal abgesehen. Aber sonst? Gähnende Leere. Keine Menschen am Innenministerium, am Schloss Bellvue, das wie ein großes Zuckerstück in der Sonne lag, ebenfalls nicht.

Sauberer wäre die Stadt auch, wenn ich regelmäßig morgens herum liefe. Jeder Hundebesitzer, der mich sah, holte plötzlich eine Plastiktüte aus der Jackentasche, um den Hundekot zu beseitigen. Wahrscheinlich hielten sie mich für eine Dame des Ordnungsamtes. Was weiß denn ich, wie ich am frühen Morgen aussehe. Noch nicht ganz wach, ein wenig zerknautscht, Brille, strenger Blick, besonders einladend wahrscheinlich nicht.

So sollte mich mal jemand auf Herrn Sarrazin loslassen, vielleicht bekäme er einen solchen Schreck, dass er es fortan unterließe, derart hanebüchenen Blödsinn herum zu posaunen. Falls er es überhaupt selbst erzählt hat. Man liest in den Zeitungen ja einiges. „…sagte er der BZ.“ Wie soll ich mir das vorstellen? Kommt da eine Journalistin und befragt den Herrn Senator? Oder ruft die Sekretärin der Journalistin die Sekretärin des Amtsvorstehers des Herrn Senator an? Oder ruft niemand irgend wen an und man schreibt sich?

Wenn er, der Herr Senator also, die Sache mit den 3,76 EUR, von denen sich ein Hartz IV Empfänger angeblich pro Tag ausgewogen ernähren kann, wenn er das so von sich gegeben hat, dann hätte man ihm unauffällig winken müssen. Wozu haben die armen Politiker schließlich all ihre Mitarbeiter? Die sind zum Aufpassen da. Die müssen von Fall zu Fall auch mal mitdenken, und wenn der Chef Blödsinn erzählt, dann sollen sie gefälligst dafür sorgen, dass er damit aufhört. Sprechen sie doch bitte über Dinge, von denen sie Ahnung haben oder so ähnlich.
Vielleicht wäre es sowieso an der Zeit, den Politikern zu untersagen, ohne Teleprompter in die Öffentlichkeit zu gehen. So ein Ding könnte ein kluger Mensch bedienen, einen klugen wird es auch in der Behörde von dem Senator geben, der eine Art Signal für den Notfall durchlaufen lässt. Ach, wenn mich doch mal jemand fragen würde, wie man all die Probleme in den Griff bekommt. Ich wäre bestimmt eine gute Beraterin für so einen Politiker. Ich würde nicht nur dafür sorgen, dass er sich nicht blamiert, ich würde auch verhindern, dass er dabei dieses Gesicht macht, von dem meine Englischlehrerin sagt, he looks like the cat who ate the canary.

Wir haben jedenfalls in der Kantine beim Mittagessen überlegt, wie der Mitarbeiter des Herrn Senator auf die 38 Cent für eine Bratwurst gekommen ist. Der wird davon ausgegangen sein, dass sich immer drei oder vier Hartz IV Empfänger ein Paket Bratwurst teilen. Und eine Packung Sauerkraut. Denn ausgewogen soll es schon sein, man erwartet von den Menschen nicht, dass sie jeden Tag Bratwurst essen. Gute Idee. Wir haben gleich ein kleines Brainstorming veranstaltet, bei dem herausgekommen ist, dass es noch viel besser wäre, wenn man öffentliche Einrichtungen schafft, in denen die Hartz IV Empfänger gefüttert bzw. unter Aufsicht dem Essen zugeführt werden.

Man würde auf diesem Weg gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Da wäre zum einen sicher gestellt, dass so ein Hartz Empfänger sein Geld nicht in Bier anlegt. Denn das ist wohl jedem klar, für Drogen darf der Staat kein Geld ausgeben. Aber für Kinder schon, die würden von unserer Idee ganz besonders profitieren. Die müssten bei der Fütterung natürlich dabei sein. Dann gäbe es auch nicht länger diese unangenehmen Vorkommnisse. Die Kinder könnten sich viel besser konzentrieren, weil sie ausgewogene Nahrung erhielten, keine Cola, dafür Gemüse und Müsli und so, das würde sich letztendlich positiv auf die Bildung auswirken, auf die emotionale Intelligenz auch. Und heraus käme vielleicht eines Tages ein Finanzsenator, für den man sich nicht schämen muss. Wenn der dann mal an einem Tag nicht in der Lage ist, eine Rechnung auf Plausibilität zu prüfen, könnten wir uns wenigstens damit trösten, dass er dafür Takt und Stil hat. Ein solcher Mensch rechnet einem armen Schlucker nicht vor, wie er sich von der läppischen Hartz IV Penunse ernähren soll.

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