Gerade haben die Kirchen-Glocken zum Gottesdienst gerufen. Zeit für einen zweiten Cappuccino. In der letzten Nacht habe ich zwar besser geschlafen, aber die Schmerzen im Rücken und in der Hüfte sind immer noch heftig, sogar das Atmen tut weh. Um die Wirbelsäule zu entlasten, habe ich mir gestern eine komische Konstruktion gebaut, die es mir ermöglicht, den Laptop im Stehen zu bedienen. Ich wollte unbedingt selber im Netz nach einem Ferienhaus suchen. Vom Mann gibt es bereits eine Liste mit Vorschlägen, jetzt haben wir eine zweite, von mir erstellte, nun müssen wir uns nur noch entscheiden.

Es soll alles stimmen, wenn wir im Juni mit Uschel nach Schweden fahren. Es soll ein typisches Schwedenhaus sein und an einem See oder am Meer liegen. Ein Kamin wäre nicht schlecht, und zwei separate Schlafzimmer hätten wir auch gern. Keine Frage, dass es zu alledem auch nicht zu teuer sein soll.
Immer wenn ich während des Schreibens eine kurze Pause mache, um aus dem Fenster zu sehen, fällt mein Blick auf die wachsenden Bücherstapel auf dem Fensterbrett. Da ich in den letzten Wochen häufig in Schöneberg war, sei es, um mich im Café Bilderbuch mit Freunden zu treffen oder im Moghul mit dem Mann eine Kleinigkeit zu speisen, war ich vorher in dem netten Buchladen in der Akazienstraße und habe mir den einen oder anderen Roman gegönnt. Nun liegen die da und betteln um Aufmerksamkeit. Brigitte Kronauer. James Salter. Paula Fox und all die anderen.
Der Mann hat seinen noch zu lesenden Stapel ebenfalls erhöht. Während ich am Freitag vor meinem Palak Panir im Second-Laden noch rasch (jawohl rasch) ein wunderbares Nadelstreifen-Jackett erstanden habe, eins, das man knittern kann und das gar nicht edel wirkt, sondern frühlingshaft leicht, hat er sich das neue Buch von Julia Franck gekauft. Eine Freundin hatte es uns ans Herz gelegt, und ich muss zugeben, es hörte sich sehr gut an, was sie uns darüber erzählt hat.  Allerdings ist der Mann sehr kritisch. Wenn ich nur an den „Nachtzug nach Lissabon“ denke. Wie er da beim Lesen geächzt und gestöhnt hat. Und dann diese vernichtende Kritik. Das war eine große Prüfung für unsere Beziehung.
Ich habe mir vorgenommen, mehr nach Außenseitern im Literaturbetrieb Ausschau zu halten und abseits vom Mainstream zu grasen. Es gibt zu viele Bücher. Und leider sehr viele, die gar keine oder nur wenig Aufmerksamkeit bekommen, die niemals von Frau Heidenreich oder Dennis Scheck gelobt oder verrissen werden, was beides einem Fünfer im Lotto entspricht.

Vesna Goldsworthy wurde zwar von Frau Heidenreich empfohlen, aber da mir das entgangen ist, kann ich mir einbilden, sie selber entdeckt zu haben. Im Original heißt das Buch Chernobyl Strawberries, und das gefällt mir ausnahmsweise nicht besser als die deutsche Übersetzung.
„Heimweh nach Nirgendwo“ passt, da es die Lebensgeschichte einer Serbin ist, die ihrem englischen Mann nach London folgt, und von dort mit ansehen muss, wie ihre Heimat in Chaos und Krieg versinkt. Nach der Geburt ihres Sohnes und einer Brustkrebserkrankung beginnt sie, sich schreibend zu erinnern. Sie erzählt von ihrer behüteten Kindheit in Belgrad, der Beschäftigung mit der Literatur, die sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht, und von ihrer späteren Heimat London, wo sie als Journalistin fürs BBC arbeitet.
Ich liebe diese autobiografischen Geschichten, wenn sie dann noch von einem nahezu manisch lesendem Menschen erzählen, sowieso. Auch die bildreiche Sprache gefällt mir, obwohl sie mir manchmal schon zu üppig ist. Mit Sätzen wie „Ich war vierundzwanzig und von einer Liebe beseelt, vor der sich die Weltmeere teilen.“ tu ich mich schwer, aber das ist ja mein ewiges Thema.

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