Wenn ich den Kopf hebe, sehe ich auf dem Balkon zu meiner linken eine Frau, die ich noch nicht kenne. Sie raucht. Am Dach auf der gegenüberliegenden Seite hängen dicke Eiszapfen. Die Sonne hat sich verzogen. Auf bvg.de habe ich  mir angeschaut, wie ich nachher fahren muss. Bis zum Alex, dann mit der Tram. Arbeit auch am Sonntag Abend. Aber ich arbeite schon die ganze Zeit, denn natürlich sind die Dinge nicht so einfach, wie sie manchmal scheinen.  

Da drucke ich mal schnell (schnell sowieso nicht) meinen Text aus, lade den Antrag für die Stipendienförderung runter, fülle das Ganze aus, und dann ab zur Post. Kann ja nicht schaden, den Text vorher noch einmal zu lesen. Die ersten Sätze gefallen mir, aber könnte ich nicht da etwas kürzen, dort etwas hinzufügen? Schon bin ich beim Überarbeiten. Zum wie vielten Male eigentlich?

Ich glaube zuerst immer mal an das Gute in der Welt. Und deswegen glaube ich nicht, dass nur der ein Stipendium bekommt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der….Der oder die wird ein Stipendium bekommen, die einen guten Text einreicht. Oder? Und wenn ich nur 20 Seiten schicken soll, dann muss in diesen Seiten alles drin sein. Ich überarbeite den ganzen Tag. Weiter.  „Beschreiben sie ihren künstlerischen Werdegang!“ Da ich mich vor Jahren schon einmal beworben habe, müsste es doch irgendwo auf dem PC……gibt es aber nicht. 

Das Expose sollte nicht länger als zwei Seiten sein. Meins ist knapp. Eine Seite. Aber was habe ich denn da geschrieben? Das versteht doch kein Mensch. Also schreibe ich mal hurtig ein neues. Hurtig dauert Stunden. Und das Wochenende ist fast vorbei.  Kein Kino, keine Verabredung. Aber da ich mit dem Fernsehboykott noch nicht angefangen habe, konnte ich gestern wenigstens den beeindruckenden Film „Under Fire“ mit Nick Nolte sehen. Obwohl ich ihn kenne, war ich wieder fasziniert und habe mir auf die Knöchel gebissen (besser die Knöchel als den Mann). Die schwierige Frage nach der Neutralität. Kann oder soll ich neutral sein, wenn ich damit Menschenleben gefährde? Ich glaube, es gibt keine Neutralität, jeder Mensch muss eine Entscheidung treffen. Gott sei Dank hat Russell Price, der Fotograf im Film, sie am Ende getroffen. Und ich treffe jetzt auch eine Entscheidung. PC runterfahren.

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