Natürlich habe ich schon von der Theorie gehört, dass jene Menschen, mit denen man die größten Probleme hat, eigentlich die größten Geschenke wären. Weil man mit ihrer Hilfe den eigenen Schatten betrachten, sich den eigenen Ängsten stellen oder doch wenigstens GFK üben kann. Leider bin ich in Bezug auf mich selbst gelegentlich betriebsblind. Oder einfach bockig, was auch nicht besser ist. Aber ich gebe zu, dass ich mich jetzt entschieden besser fühle als heute Nacht. Die ich zum größten Teil schlaflos verbrachte.

Der anderen Person ging es nicht anders, das konnte ich ja deutlich hören. Trapp trapp trapp. Um 1. Um 2. Um 3. Ich würde gern berichten, dass ich diejenige war, die heute Morgen das Gespräch suchte. No posible. Aber ich kann das ja üben. Und mir vornehmen, nicht mit ungeklärten Konflikten ins Bett zu gehen, immer wieder das Gespräch zu suchen, vor allem sachlich zu bleiben. Aber am wichtigsten ist es wohl, mit der Vermieterin endlich das Thema Verträge zu klären. Sonst haben am Ende noch alle Magengeschwüre.

Dabei hatte ich nach dem Knatsch am Vormittag einen solch wunderbaren Abend. Mit den Freunden aus Schlachtensee, die mir einen neuen Ort eröffnet haben. Das Bundesplatz-Kino. Dort haben sie ihr 5jähriges Kino-Jubiläum gefeiert, und man konnte nicht nur für 5 Euro den neuen Film von Jim Jarmusch ansehen – „Paterson“ – man bekam sogar noch ein Glas Sekt dazu. Und vor dem Film eine kleine Ansprache von Martin Erlenmaier und Peter Latta, den Betreibern. Das machen die immer, sie begrüßen auch jeden einzelnen Gast per Handschlag sonst, jedenfalls wurde mir das berichtet.

Auch noch erwähnenswert, dass die beiden Dokumentarfilmer Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm („Berlin Ecke Bundesplatz“) jetzt regelmäßig kleine Vorfilme für das Kino machen werden. Den ersten konnten wir gleich anschauen. Während Eisler Brechts Kinderhymne singt, steckt ein junger Kinomitarbeiter den Text auf die Werbewand. Habe das Lied lange nicht gehört, könnte aber immer noch mitsingen. Das sollte mal unsere Nationalhymne werden, wie ich gestern dann noch erfahren habe. Und Google hat mir vorhin berichtet, dass sich verschiedene Bürgerinitiativen 1990 dafür eingesetzt hatten. Tolle Idee. Die natürlich keine offene Ohren fand. Wundert mich das? Nein.

Der Film also. Paterson heißt genauso wie die Stadt in New Jersey, in der er Busfahrer ist. Jeden Morgen zur selben Zeit steht er auf, das klappt ohne Wecker, er küsst oder streichelt zärtlich seine Frau/Freundin, die dann meist weiter schläft. Sie ist eine vielseitig talentierte Frau, die sich aber noch nicht so richtig entschieden hat, ob sie eher dekorieren soll oder Cupcakes backen, vielleicht wird sie aber auch Country-Sängerin. Hauptsache alles in schwarzweiß. Ihren Liebsten ermutigt und bestärkt sie, von seinen Talenten ist sie überzeugt, auch wenn Paterson sich selbst gar nicht für einen Dichter hält. Obwohl er in jeder freien Minute in sein Buch schreibt. Manchmal fallen ihm die ersten Zeilen für ein Gedicht schon auf den Weg zum Busdepot ein, wohin er gemächlich zu Fuß unterwegs ist.

Wir begleiten Paterson bei seinen Fahrten durch die Stadt, hören mit ihm kleine Gespräche, wundern uns über die Zufälle – plötzlich begegnen ihm überall Zwillinge – gehen mit ihm auf das tägliche Feierabendbier in seine Stammkneipe, und natürlich kriegen wir auch mit, dass der Hund nicht so gut auf ihn zu sprechen ist. Wie er sich von dem durch die Gegend ziehen lässt, ach, das alles ist so wundersam, wir hätten gern noch mehr Zeit in Paterson verbracht. Auch wenn gar nicht viel passiert, aber in dem wenigen ist alles enthalten. Das ganze Leben.

Wir waren danach so aufgeregt, so beglückt begeistert von diesem kleinen Meisterwerk, da musste noch ein Glas Wein getrunken und ordentlich geredet werden. Hast du das gesehen, und wie der das Handy von dem Kind, und wusstest du auch gleich, als das Buch da so lag …….. Schade, dass mich diese Stimmung nicht vor der üblen Nacht gerettet hat.

1 Kommentar

  1. geschrieben am 25. Oktober 2016 um 08:58 Uhr| Permalink

    bis um zu detail. super , interesant wie Laune viel ausmachen. lg

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