Unser letzter Tag. Der sich gut anlässt. Schon am Vormittag ist es hochsommerlich warm. Der Weg zum Bahnhof nicht weit, das Ticket für den TJV erschwinglich. Wir haben gute Laune. Keine Verabredungen. Weder muss der Mann einen Vortrag halten, noch müssen wir überhaupt irgendwohin. Was nicht ganz richtig ist, denn an einen Strand wollen wir schon. Aber bevor es so weit ist, trinken wir einen grand creme am Hafen. Schauen absichtslos auf schaukelnde Boote. Verzeihung. Yachten. Gähnen abwechselnd. Bestellen einen zweiten Kaffee in der Hoffnung, doch noch wach zu werden.

Der Tag gestern war wohl doch anstrengender, als ich dachte. Dabei sind wir nur ein wenig früher als sonst aufgestanden. Haben gepackt. Die Ferienwohnung aufgeräumt. Durch das Autofenster neue unbekannte Teile der Provence betrachtet. Ein kleines Mittagessen mit den Freunden eingenommen, die uns netterweise nach Toulon gefahren haben. Und während sich der Mann im Hotel seinem Vortrag widmete, saß die Frau  im Café und las in einem Buch von Haruki Murakami über das Laufen und das Schreiben. Das soll anstrengend sein?

Ich bin immer aufgeregt, wenn der Mann einen öffentlichen Auftritt hat. Für mich ist es richtige Arbeit, weil ich alles persönlich nehme. Die Anzahl der Zuhörer, wenn jemand eher geht, wenn sich jemand räuspert, wenn gehustet wird. Ich interpretiere und mache mir Sorgen. Mir fehlt der nötige Abstand.

Ich winde mich auf meinem Platz wie eine Schlange, verhake meine Beine ineinander und um Stuhlbeine herum (und hoffe später beim Aufstehen, dass mich niemand beobachtet, wenn ich gebückt fort humpele und immer mal weg knicke), ich stöhne, und manchmal vergesse ich das Atmen. Unnötigerweise, wie ich längst weiß, aber diese Erkenntnis hilft mir auch nicht. Wahrscheinlich sollte ich durch Abwesenheit glänzen.

Bei dem anschließenden kleinen Essen hatte ich einen netten Tischnachbarn, der mir nicht nur Wein nachschenkte und seinen Nachtisch mit mir teilen wollte, er beantwortete auch geduldig Fragen. Stimmt es, dass die Franzosen zu jeder Mahlzeit drei Gänge essen? Ich hatte mir erlaubt, nur eine Vorspeise zu bestellen. Und weiß nun, dass ein solches Vorgehen okay ist, wenn man schon zu Mittag ordentlich gegessen hat.

Da auch der Konsul länger blieb, als er vorher angekündigt hatte, wird es ihm vielleicht ähnlich ergangen sein wie mir, die ich mich vorher ein wenig gegruselt habe und es dann hinterher sehr angenehm fand, mit den Freunden der Deutsch-Französischen-Gesellschaft zu plaudern. Eine kleine Gruppe ehrenamtlich arbeitender Menschen, deren Engagement man wohl nur mit sehr viel Liebe zur Sache erklären kann. Und eigentlich grusele ich mich ja auch vor dem, was man so small talk nennt und wofür ich mich völlig ungeeignet halte. Und dann geht es doch. Wahrscheinlich würde der Mann jetzt sagen, weil ich gerne rede, aber das ist eine Verleumdung, und außerdem werden wir jetzt endlich den Strand suchen.

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