Nach dem Frühstück hat mich der Mopedfahrer noch zur Bushaltestelle gebracht. Das gehört ja immer mit dazu zu einem Ausflug nach Ludwigsfelde. Auf dem Hinweg erzählen wir uns das Neueste aus unserem Leben. In der Therme gehen wir getrennte Wege, treffen uns gerade mal für ein paar Minuten auf unseren Liegen. Auf der Rückfahrt erzählt er mir dann Bücher oder Filme. Diesmal Chabrol. Der Schlachter. Ich liebe es, in der Dunkelheit zu sitzen, angenehm müde und entspannt, und mich in fremde Welten versetzen zu lassen.

Allerdings muss es dazu nicht unbedingt dunkel sein. Ich erinnere mich noch gut daran, wie er vor zwei Jahren auf der Fahrt ins Havelland der Schreibfreundin und mir Murakamis Roman „Kafka am Strand“ erzählt hat. Die Freundin saß hinten, sie ist dabei weggedämmert, während ich mir vor Spannung vorne fast in die Fäuste gebissen habe.

Der Mopedfahrer kann das. Der kann so erzählen, das ich immer wissen will, wie es weitergeht. Während er inzwischen alle Romane von Aitmatov gelesen hat – wenn er einen Autor mag, dann besorgt er sich alles, was der geschrieben hat – genügt es mir, wenn er mir den einen oder anderen erzählt. Das gilt allerdings nicht für das Buch „Alles fühlt“ von Andreas Weber. Das wollte ich mir ausleihen, nachdem wir beim Frühstück einen Ausschnitt aus einem Vortrag des Biologen und Philosophen gehört haben, der doch so keck behauptet, wir wären nicht nur keine biologischen Maschinen, sondern dass wir uns nur im Spiegel anderen Lebens selbst verstehen können. „Wir brauchen den Blick des Allerfremdesten. Den Blick des Tiers. Den Blick des stummen Molchs. Nur er öffnet jene Tiefen ins uns, die sonst für immer verschlossen blieben.“

Im Bus ist mir dann eingefallen, warum ich dachte, ich würde den Mann auf dem Bildschirm von irgendwoher kennen. Wir haben ihn vor ein paar Jahren bei einer Lesung mit anschließender Diskussion im Dharma-Buchladen erlebt. Was wir beide vergessen hatten. Wir haben ihn also gar nicht neu, wir haben ihn nur wieder entdeckt.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*