Wenn ich morgens den ersten Kaffee im Bett trinke, dann ist Herbst. Als ich mir den zweiten Kaffee machen will, begegnet mir in der Küche der Hausmann. Was ich von Rührei halte, er würde sich eins machen. Später sitzen wir warm angezogen draußen, inzwischen sind es zwölf Grad. Über uns erntet das Eichhörnchen. Erst putzt es die Walnüsse, dann verschwindet es mit der Nuss im Maul auf meinem morschen Balkon. Ich überlege, ob es mir eine Nuss ins Bett legen will. 

Ich erzähle von dem Film „Verleugnung“, den ich gestern in der Mediathek gesehen habe. Darin geht es um die Verleumdungsklage, die der Holocaust-Leugner David Irving gegen eine Professorin für Holocaust-Forschung angestrengt hatte. Natürlich dauert es nicht lange, bis wir bei unseren Familien und deren Umgang mit der Nazizeit angelangt sind.

Der Hausmann hatte als kleiner Junge wissen wollen, warum Hitler die Juden umgebracht hat. Weil die den Herrn Jesus ermordet haben. Ich erinnere mich an eine Tante, die noch viele Jahre später von der Zeit schwärmte, als man sie nach Finnland zur Flakhelferin verpflichtet hatte. Für viele Frauen ihres Alters brachte die Nazizeit scheinbar Freiheit und Abenteuer. Und dann natürlich die Sache mit den Autobahnen. Andererseits gab es Menschen wie meinen Großvater, der es jahrelang verhindert hatte, dass ich Pionier werden durfte. Er hätte das alles schon einmal gesehen bei den Pimpfen und dem Jungvolk, das hatte ihm schon damals nicht gefallen.

Dann ist der Hausmann fort, eine zerrupft wirkende Meise hüpft um den Grill herum, das Eichhörnchen sägt, und ich sollte mich langsam ebenfalls aufs Rad schwingen.

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