Ein typischer Vormittag. Um halb acht aufstehen, Laptop hoch fahren, während der sich müht, warum dauert das eigentlich so lange, einen Espresso aufsetzen. Mit Kaffee zurück ins Bett. Ein paar Sätze aufschreiben, für die ich mir gestern Abend handschriftliche Notizen gemacht habe. Mails lesen, Mails schreiben. Für eine Freundin die Adresse einer anderen raussuchen, die ich leider auch nicht ordentlich im Adressbuch habe.

Nebenbei eine Liste erstellen, in der ich in Gedanken vermerke, was unbedingt mit muss in die kleine Wohnung auf dem Land. Alles, was man für ein erstes Frühstück braucht natürlich. Geschirr. Espressomaschine. Die ich erst noch kaufen muss. Heute.

Mir fällt ein, dass ich vergessen habe zu prüfen, ob der alte Kühlschrank, den wir als Vorratsschrank nutzen, noch funktioniert. Aus dem Bett in die Küche, Stecker in die Dose. Wenn ich schon in der Küche bin, kann ich doch auch gleich noch Marmelade, Gewürze, und eigentlich wollte ich auch etwas von dem guten französischen Olivenöl abfüllen.

Das Telefon. Eine Freundin, die endlich den Job gefunden hat, der zu ihr passt, interessant, und dann auch noch gut bezahlt. Während wir reden, meldet sich mein Handy. Du, ich rufe dich später wieder an.

Die Freundin im Krankenhaus gibt mir ihre neue Station und die Zimmernummer durch. Nach zehn Tagen, in denen es ihr so beschissen wie noch nie ging, scheint es einen Aufwärtstrend zu geben. Noch nicht gut, aber besser. Gott sei Dank. Um zwei bin ich da, verspreche ich.

Zurück zum Festnetz. Erneuter Versuch mit der Freundin über die neue Arbeit zu sprechen. Natürlich bin ich nicht neugierig, ich wüsste nur gern. Nach zwei Minuten klingelt es an der Haustür. Du, ich rufe später wieder an.

Der freundliche Handwerker, der mir seit Tagen die Arbeit schwer macht mit seinem Bohren und Schleifen in der Wohnung über uns, möchte wissen, ob der nächste Mittwoch Recht ist. Er müsste nur mal schnell die Wasserschäden besichtigen, die seine Firma bei uns beseitigen soll. Mittwoch passt. Ich werde allerdings auswandern.

Zurück zum Telefon, erneuter Anruf bei der Freundin mit dem neuen Job. Was ist eigentlich los bei dir, will sie wissen. Los? Also los ist hier nichts besonderes, das geht seit Tagen so. An ein konzentriertes Arbeiten ist nicht zu denken. Telefonate, Anfragen, es fehlt die Ruhe, nicht zu vergessen der 100. Geburtstag.

Damit die Jubilarin wusste, mit wem sie es zu tun hatte, beugte sich jeder Gast ein wenig zu ihr herunter und schrie ihr seinen Namen ins Ohr und ein paar Glückwunschfloskeln gleich hinterher. Zu ihrem Sohn sagte sie, die, also wir, würden alle so anders aussehen.

Ich stelle mir einen derartigen Zustand furchtbar vor. Die Erinnerungen sind vergraben, und wenn sie für Sekunden doch einmal auftauchen, dann weiß man nicht, mit welchen Gesichtern bzw. Menschen man sie verknüpfen soll. Passt es? Oder passt es nicht? Egal, man erinnert sich nicht, und wenn, dann hält man sich nicht mit freundlichen Lügen auf. Das bekam eine der Nichten zu spüren, an die sich die Jubilarin anfangs genau so wenig erinnern konnte wie an die anderen Gäste, über die sie dann aber befand, sie wäre ganz schön dick geworden. Allgemeine Erheiterung und der Running Gag des Abends. Und ich? Ich bin ganz schön alt geworden.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*