Es gibt Filme, da fragt man sich nach den ersten Minuten, warum die Rezensenten so begeistert waren. Was daran so lobenswert sein soll, wenn ein Haufen alter Leute dazu überredet wird, Punk- bzw. Rock-Songs zu singen, wo sie doch zu Hause lieber Klassik hören. Der Gedanke kommt auf, das da jemand ein dickes Geschäft gewittert hat. Es ist chic geworden, Filme für oder über ältere Menschen zu machen. Senioren als Zielgruppe. Sie sollen ihr Geld nicht länger nur für Viagra und Treppenlifte ausgeben, sie sollen auch mal wieder ins Kino. Und wenn sie nicht selber ins Kino gehen, dann sollen sie wenigstens andere ins Kino locken.

So viel zu den eigenen Vorurteilen, die sich nach hundert Minuten in Wohlgefallen aufgelöst hatten. Es ist völlig egal, aus welchen Gründen man sich den Film ansieht, belohnt wird man auf alle Fälle. Es ist nicht nur die Begeisterung, mit der all die alten Menschen in diesem Chor singen, die sich dem Zuschauer mitteilt.

Es sind nicht nur die Texte der Songs, die man in dieser Klarheit selten gehört hat und die einen im Herzen berühren. Nicht die Erkenntnis, dass man geistig und körperlich länger fit bleibt, wenn man sich für etwas engagiert, das einem sinnvoll erscheint und dass man körperliche Leiden beim Singen für eine Weile vergessen kann. Und es ist auch nicht das Wunder des stetigen Mühens, das sich lohnt, wenn nämlich auf der Bühne bei dem großen Auftritt der Text plötzlich sitzt, der vorher nie geklappt hat. Es ist die Haltung, mit der diese Menschen ihr Leben meistern, die mich beeindruckt hat.

Bob Salvini kommt nach drei Jahren Pause wegen schwerer Krankheit zurück in den Chor, um mit Fred Knittle, ebenfalls schwer krank, ein Duett von Coldplay zu singen. Bis zuletzt klammert er sich an den Gedanken, dass er den Auftritt schaffen wird. Er schafft ihn nicht.

Auch Joe Benoit will singen bis zum Schluss. Obwohl er schon sechs Chemotherapien hinter sich hat, nimmt er die erneute Attacke auf seine Blutwerte mit Gleichmut. Er stirbt ein paar Tage vor dem Auftritt.

Die 93jährige Eileen Hall, nach dem Dreh ebenfalls verstorben, sagt in dem Film, falls sie jemals auf der Bühne umfallen sollte, möchte sie auf keinen Fall, dass die anderen deswegen aufhören. Man soll sie herunter tragen und weitermachen.

Angst vor dem Tod? Oder davor, falsch gelebt zu haben? Bei diesen Sängern ist nichts von alledem zu finden. Sie hadern nicht mit ihren körperlichen Gebrechen. Sie beschweren sich nicht über das Schicksal, wenn einer aus ihrer Mitte stirbt, der doch eigentlich noch in dem Duett singen sollte. Sie akzeptieren, was kommt und freuen sich an dem, was ihnen bleibt. Sie gehen ins Männergefängnis und treiben den harten Jungs die Tränen in die Augen, weil sie zwar ihre Toten beklagen, sich davon aber nicht entmutigen lassen. Sie machen weiter und singen ihre Songs. Das ist niemals sentimental oder kitschig. Bewegend ja. Mut machend auf alle Fälle. Sehenswert.

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