Pünktlich um neun stand der junge Mann vor der Tür. Auf Socken! Nein, mit seinen schmutzigen Schuhen wird er nicht herein kommen. Meinen Hinweis auf das Alter und den Zustand des Bodenbelags im Flur ignorierend, zieht er jedes Mal die Arbeitsschuhe aus, wenn er nur ins Bad geht, um Wasser zu holen. Ich sitze in meinem Zimmer am Schreibtisch und höre, wie er sich rücksichtsvoll auf leisen Sohlen bewegt. Wie er auch Türen so leise schließt, dass es schon unheimlich ist. Ich hatte ihm zwar gesagt, dass ich arbeiten muss, aber so umsichtig, das wäre auch nicht nötig.

Den Fußboden im Zimmer nebenan, in dem er den Wasserschaden an der Decke beheben soll, mit dem wir jetzt auch schon seit einem halben Jahr leben, den Boden also hat er so ordentlich abgeklebt, wie das in dieser Wohnung vermutlich noch nie jemand gemacht hat.

Wenn er sich schon bei den Schuhen nicht reinreden lässt, zu einem Cappuccino kann ich ihn überreden. Natürlich trinkt er ihn nicht in der Küche, das macht er nebenbei, wenn er gerade mal nicht auf der Leiter. Das Wurstbrot schlägt er aus, er hat selber eins dabei, und wenn er das nicht isst, dann kriegt er Ärger zu Hause. Ich überlege, ob er noch bei seiner Mutter lebt, frage ihn aber nicht. Ich muss auch nicht alles wissen.

Später steht er vor meiner Tür und fragt ausgesucht höflich, wohin er denn die leere Tasse bringen darf.  Wenn das die neue Handwerker-Generation ist, dann möchte ich jetzt sofort die Wohnung vollständig renovieren lassen.

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