Die Freundinnen sind ständig unterwegs. Jedenfalls kommt es mir so vor. Kanada, Australien, Peru, nichts lassen sie aus. Und was am schlimmsten ist: Sie scheren sich einen feuchten Kehricht darum, ob mich ihre Berichte aus der Ferne deprimieren oder nicht. Ich sitze hier im trüben Berlin, sie müssen eine Mütze aufsetzen, weil die Sonne brennt und schließen Freundschaft mit Kängurus. Eine andere überlegt, ob sie den Inka-Trail benutzen soll.

Und ich? Meine Reisen finden im Kopf statt. Ich entwickle täglich neue Ideen, überlege, was ich zukünftig mit meinem Leben anfangen will. Schreiben will ich. Aber das tu ich doch sowieso. Nur sollte ich auch mit irgend einer Beschäftigung meine Brötchen verdienen. Nicht mir irgend einer. Mit einer, die auch noch Sinn macht. Es ist ja nicht so, dass Menschen mit chronischen Schmerzen zu nichts mehr in der Lage sind, nichts mehr zu geben haben.

Ich bin eine gute Organisatorin, kann unterschiedliche Menschen für ein Ziel begeistern, wirke ausgleichend auf aggressive Verkäufer, mir fallen eine Menge Dinge ein, die ich gut kann. Die wenigsten Ideen halten länger als 48 Stunden. Nein, das geht nicht. Dafür braucht man ein Papier. Eine Ausbildung. Dafür bin ich zu alt, für jenes fehlt mir die Erfahrung. Was mir alles einfällt, warum etwas nicht geht!

Neulich sah ich eine Hundertjährige im Fernsehen. Ilse Pohl, die älteste, noch aktive Schriftstellerin in Europa. Eine moderne, offene Frau, die zum Schreiben noch eine Schreibmaschine benutzt. Mit 90 hat sie ihre dreibändige Biografie veröffentlicht. So klug war sie in diesem Film, so heiter. Wie entspannt sie auf die Jugendlichen in der Schule zuging, denen sie aus ihrem Leben erzählen sollte. Na, so einen Menschen wie mich, so alt, den habt ihr wohl noch nicht getroffen?

Mut macht das. Nicht nur für das Schreiben, manchmal braucht man ja auch Mut zum Leben. Wenn nichts mehr geht, wenn man gedanklich und körperlich gerade blockiert ist. Wenn man glaubt, das Leben ginge an einem vorbei und nur die anderen wären glücklich. Wenn man sich selber nicht leiden kann, weil man so denkt und fühlt. Aber ich vergaß, dieses „man“ ist so unpersönlich, ich soll ja in der Ich-Form sprechen. Und schwupps, schon fällt mir nichts mehr ein, über das ich öffentlich jammern möchte.

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