Mit dem Rad nach Neustadt. Ohne J., die langsamer fährt und deren Rad man ständig aufpumpen muss, brauche ich fünfunddreißig Minuten. Es gibt hier sechs Fahrräder, von denen im Moment gerade mal eins einsatzfähig ist, und dieses eine ist leider ein Herrenrad. Eigentlich zu hoch für mich, aber da ich mir das in den Kopf gesetzt habe. Es sollte beim Auf- und Absteigen allerdings niemand zusehen, so hoch musste ich das Bein schon lange nicht mehr werfen, und plötzlich anhalten geht auch nicht, dann müsste ich über die Lenkstange. Springen.

Der Weg immer an Wiesen und Feldern vorbei, Bussarde kreisen, manchmal steht da ein Storch nebenan, es gibt kaum Verkehr, und am Gestüt kann man Fohlen mit ihren Müttern zu beobachten. Vielleicht möchte ich doch keinen Hund sondern ein Pferd. Vielleicht aber auch nicht.

Die Menschen in Neustadt sind freundlich. Die Frau beim Fleischer bietet sofort an, den Rest des ausgewählten riesigen panierten Schnitzels einzupacken, falls ich es nicht schaffe, sie organisiert mir einen Sitzplatz vor dem Laden und lacht sich eins, als ich ihr den leeren Teller zurück bringe und es nichts einzupacken gibt.

Der junge Mann im Telefonladen gibt sich große Mühe, einen neuen Tarif für mich zu entdecken, er telefoniert und versucht die zuständige Dame bei Mobilcom zu bequatschen, aber es nützt alles nichts. Flatrate fürs Festnetz und 120 Minuten in alle anderen Netze, das kriege ich für mein Handy natürlich nicht ab sofort, das geht erst ab 1. Juli. Also, an ihm liegt es nicht, und deswegen gebe ich ihm für seine Beratung trotzdem die Bestnote.

Der Mann im Fahrradladen betrachtet skeptisch mein Rad. Damit sind sie gefahren? Was glaubt er? Dass ich es geschoben habe? Er bekommt mit Hilfe eines Werkzeugs die verklebte Ventilkappe ab, er pumpt Luft auf, richtet das Vorderrad ein wenig, und Öl für die Kette gibt es auch. Und natürlich ist das Dienst am Kunden, dafür möchte er kein Geld. Ich kaufe wenigstens einen Korb für den Gepäckträger, wo meine Einkäufe noch in einem Pappkarton von Edeka klemmen.

Zu Hause angekommen, wundert sich J. über mein Tempo. So schnell bist du wieder da, sagt sie. Ich war drei Stunden weg, weil das alles viel länger gedauert hat, und das Schnitzel, und dann werde ich nicht mal vermisst. Eigentlich sollte ich das Stück Rhabarberkuchen, das ich ihr mitgebracht habe, selber essen. Der sieht so schön matschig aus, und so schmeckt er auch. Lecker eben.

Da ich in der Nacht kaum geschlafen habe, verbringe ich den restlichen Nachmittag in einer Art Dämmerzustand, keinem angenehm entspannten, einem unangenehmen. Einer, in dem ich mich wie ein Zombie fühle. Schlafentzug wäre für mich die optimale Folter. Kommt noch weit vor Kaffee- oder Essensentzug.

Mit einem homöopathischen Mittel, das mir in der Nacht helfen, das meine Ängste und Dämonen zügeln soll, gehe ich in meine Villa und dann endlich kommt der Schlaf. Wieder ein Tag. Der erste vom Rest meines Lebens.

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