Ganz allein fahre ich durch einen riesigen, menschenleeren Wald, und was erstaunlich ist, ich verfahre mich nicht. Dann kommen nette kleine Dörfer, die Roddahn, Helenenhof und Joachimstal heißen. Die Straßen sind so schmal, dass die Landmaschinen immer Vorfahrt haben. Da ich mit meinem Herrenrad noch nicht so intim bin, lande ich einmal unsanft im Graben. Ich muss tatsächlich abgesprungen sein, aber ich habe mir nichts getan.
Nach einer halben Stunde bin ich bei einem hier in der Gegend bekannten Knocheneinrichter. Ein Dorn-Preuß-Therapeut, der erst massiert und dann mit Unterstützung der Patientin das wieder einrichtet, was sich verdreht hat. In meinem Fall das Becken. Dass es verdreht ist, denke ich mir schon lange, aber bisher konnte niemand Abhilfe schaffen. Keine Physiotherapeutin, kein Osteopath, nicht die wunderbare bulgarische Heilerin.

Die Patienten liegen bequem nebeneinander, erst wird die eine massiert, dann abgedeckt, damit sie sich erwärmt, dann ist die andere dran. Später wird geturnt. Man weiß, worum es bei der anderen geht, aber das ist niemandem peinlich. Mir auch nicht.

Ich grüble viel und mache mir Sorgen, sagt der junge Mann, der mit meinem Schultergelenk wie mit einer Qi Gong Kugel spielt. Vor ein paar Tagen habe ich es mir beim Liegen verklemmt. Es fühlte sich an, als wäre es gerissen. Aber warum sorgen sie sich mehr um die anderen? Das wollen sie alles am Zustand meiner Knochen sehen? Jawohl, tut er. So ein Physiotherapeut weiß auch nicht alles.

Es kann noch einen Tag Muskelkater geben, aber dann sollte es weg sein. Die Schulter ist spontan geheilt, ich bin begeistert, aber die rechte Seite. Da müssen wir wohl nächste Woche weitere Maßnahmen ergreifen.

Die Nacht ein Alptraum. Ich schlafe schnell ein, wache aber nach zwei Stunden wieder auf. Meine Träume nehmen Auseinandersetzungen vorweg oder erledigen das Problem im Schlaf, und ich bin danach wach. Wach, und mit mir Schmerzen und Ängste aller Art. Fluchtreflex. Taschen packen, Taxi rufen, fort. Was habe ich mir nur gedacht, ich allein auf dem Land, in einem solchen Zustand? Retreat mag ja gut und schön sein, mit dem Schreiben komme ich auch gut voran, ich meditiere und tongle, aber muss ich nachts deswegen leiden? Muss ich den Kummer, real oder eingebildet, eimerweise kriegen?

Zwei Stunden lang schreibe ich auf, wie ich mich fühle. Was ich mir denke, was ich mir vor Jahren mal gedacht habe, was man eben so schreibt, wenn es einem nicht gut geht und man nach einer Erklärung sucht. Von dieser Arbeit bin ich irgendwann so müde, dass ich um drei endlich einschlafe. Bis halb sechs, da fangen die Kühe vor meinem Fenster an zu schreien. Und besser wurde der Morgen auch nicht.

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