Man denkt sich ja immer was. Ich denke mir, die wollen nicht, dass ich mich bewerbe. Die wollen ihre Ruhe. Was ich sogar verstehen kann. Wer will schon freiwillig ein paar Hundert Einsendungen anschauen, sich durch Exposés und Texte quälen, künstlerische Lebensläufe lesen? Deswegen besteht die Senatsverwaltung für Kultur bestimmt darauf, dass man die Unterlagen elektronisch schickt. Sie haben eine elektronische Sperre eingebaut und hoffen jetzt, dass der Antragsteller am Ende so verzweifelt ist, dass er davon absieht, einen Antrag zu stellen. Vielleicht erschießt er sich auch gleich.

Nicht, dass ich mir ernsthafte Chancen ausrechne, eines der dreizehn Stipendien für in Berlin lebende Autoren zu erhalten, andererseits heißt es aber auch, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Jedes Jahr dasselbe Spiel. Und dann finde ich den Fehler, eine winzige Spalte, nicht ausgefüllt, das sagt einem das doofe System natürlich nicht, das tut einfach gar nichts, es weigert sich, auf die nächste Ebene zu gehen, aber manchmal kann ich auch geduldig sein. Jawohl!

Das Formular-Server-Bestätigung ausdrucken, mit den Papier-Formularen aufs Fahrrad, man muss das alles doppelt schicken, einmal elektronisch, einmal auf dem altmodischen Postweg, und kommt da wirklich der Stempel von heute drauf? Die nette Frau in der Schreibwarenhandlung, auch eine Zweigstelle der Post, es gibt ja kaum noch Postämter, nur noch Schalter in Supermärkten, also die Frau erledigt das persönlich und vor meinen Augen, und dann kann ich beruhigt mit den Schwestern ins Kino gehen.

Another Year“ erzählt vom Leben eines glücklich verheirateten älteren Paares. Tom und Gerri. Im Frühling. Im Sommer. Im Herbst und im Winter. Sie beackern ihren Garten, sie pflanzen und ernten, sie sorgen sich, ob Sohn Joe wohl noch eine Freundin findet, was er dann Gott sei Dank tut, aber vor allem sind sie der Fels in der Brandung für unglückliche Menschen, für ihre Single Freunde zum Beispiel.

Für Mary, eine unter Logorrhoe leidende Kollegin von Gerri, und für Ken, einen dicken, Nahrungsmittel in sich hinein stopfenden, Alkohol schüttenden, schwitzenden Mann. Einsame Gestalten, die sich, anderen erst recht nicht, eingestehen wollen, wie unglücklich sie sind. Müssen sie auch gar nicht, man sieht es auch so.  Und natürlich wäre alles ganz anders, wenn die beiden einen Mann bzw. eine Frau hätten. Man könnte sich an dieser Stelle fragen, warum tun sie sich dann nicht zusammen, aber da würde Mary vermutlich sagen, so unglücklich ist sie dann doch wieder nicht.

Auf der Heimfahrt tauschen wir unsere Gedanken und Eindrücke aus. Gern gesehen. Gut, aber nicht herausragend. Still. Anrührend. Während ich den Film ein wenig lang fand, hätte N. gern noch mehr gesehen. Und dann hätten sie ruhig einen glücklichen Single zeigen können, da waren wir uns einig. Er hätte ja nicht vollkommen glücklich sein müssen, vielleicht nur ab und zu. Wenn er keine Formulare ausfüllen muss zum Beispiel.

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