Es war nötig. Ich musste noch ein weiteres Mal in die Alte Nationalgalerie. Noch einmal zu Böcklins Toteninsel. Ärgerlich, dass es keine oder nur von den Bildern weit enfernte  Sitzgelegenheiten in den Räumen gibt. Wenn man nicht die ganze Zeit stehen will, muss man sich auf die Erde setzen. Also bitte. Da könnt ihr ruhig gucken.  Und darüber, wie ich hier jemals wieder hochkommen soll, werde ich mir später Gedanken machen.

Ein großer Stein im Meer. Ein Meteorit vielleicht? Von Menschen behandelt? Es sieht aus, als wären große Brocken herausgeschlagen worden. In die Wände hat man Nischen getrieben. Grabkammern. Dicht gedrängt stehen hohe Zypressen. Die Insel muss alt sein.

Auf glatter See bewegt sich ein Boot mit einem Ruderer und einer weißen Gestalt auf die Insel zu. Vor der weißen Gestalt ein mit Blumen geschmückter Sarg. Mich irritiert ein weißer Fleck inmitten der Dunkelheit der Insel. Eine Art Mausoleum vielleicht? Eine beleuchtete Grabstelle? Oder ein Durchgang auf die „andere Seite“?

Das Aufstehen leichter als gedacht. Doch so sehr ich auch schaue, das Rätsel des weißen Fleckes erschließt sich mir nicht. Irgendetwas leuchtet da, und ich habe keine Ahnung, was es ist.

Ich fühle mich wie diese weiße Gestalt. Auch ich bewege mich auf eine Insel zu, die von Toten bevölkert ist. Oder von Untoten. Vielleicht ist dieser kleine helle Fleck das Licht in meinem Dunkel. Man soll die Toten ruhen lassen. Soll man die Toten ruhen lassen? Und den Lebenden ihr Geheimnis entlocken? Eine schwere Arbeit. Kein Wunder, dass ich ständig müde bin. Und vielleicht auch kein Wunder, dass die Toteninsel schon vor Jahren in meinem zweiten Buch eine Rolle spielte. In dem Buch also, von dem nur noch ein Fragment von 80 Seiten erhalten ist.

Auch meine Protagonistin hatte eine enge Beziehung zu diesem Bild, von dem Böcklin fünf Versionen gemalt hatte. Es gibt weitere Versionen in Basel, in NY, in Leipzig. Eines wurde während des Zweiten Weltkrieges vernichtet. Die Version in der Alten Nationalgalerie ist die dritte. Früher hatte ich mir einmal vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn ich mir nacheinander alle Versionen anschauen würde.

Eine schöne Idee. Vielleicht sollte ich doch endlich einmal einen Lottoschein ausfüllen. Oder doch darauf hoffen, dass der Redner endlich die Millionen gewinnt?

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