Gestern hatten wir Jubiläum. Der Syrer lebt  seit einem Jahr mit uns. Vorhin in der Küche hat er mir erzählt, dass er mein nächtliches Niesen gehört hat. Auch den Husten? Das Röcheln, weil die Nase verstopft war? Ich hörte seinen Muezzin. Dachte im ersten Moment an einen großen Schwarm Mücken. 4.30 Uhr war das. Ich lag seit 3 im Bett und rotierte vor mich hin. Das ging so weiter bis halb 6. Mindestens. Zeit für Reflektion und Einsicht.

Die Freundin hatte mir im Havelland von James Hillmann erzählt, dessen Buch über das Alter sie vor ein paar Jahren übersetzt hat. Ich will es unbedingt lesen. Er schreibt nämlich auch über die positiven Aspekte der Nachtwachen. Was könnte das wohl sein? Es ist dunkel. Man ist auf sich selbst zurückgeworfen. Keinerlei Ablenkungen. Da kann man einiges überlegen. Stimmt es gerade  in meinem Leben (falls es das überhaupt)? Bin ich da, wo ich sein will? Mache ich das, was ich tun möchte? Bin ich die, die ich sein will? Könnte ich beruhigt und mit mir im Reinen abtreten? Und wenn nicht, was müsste ich anders machen?

Die junge Frau, mit der ich gestern durch Steglitz spaziert bin, habe ich dazu ermuntert, sich einige dieser Fragen zu stellen. Nicht die mit dem Abtreten. Sie ist gerade mal Anfang 20. Wir hatten über ihre Panikattacken geredet, und das ist ein Thema, mit dem ich mich auskenne. Oft zeigen sie an, wenn wir nicht das machen, was wir wirklich wollen. Wenn wir Erwartungen erfüllen anstatt unser Ding. Oder wenn wir uns selber einreden, alles wäre  wunderbar, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Heute Nacht ist mir eingefallen, dass ich vor 25 Jahren über das Thema geschrieben habe. Ich hatte damit angefangen, als ich in die Klinik gegangen bin. Damals wurden einem noch drei Monate gestattet, heute geben sie den Betroffenen gerade mal vier Wochen. In dem geschützten Rahmen fühlen sie sich gut, sie sind zuversichtlich, haben vielleicht auch neue Erfahrungen gemacht, und dann entlässt man sie, und die Attacken sind immer noch da. Vielleicht sogar schlimmer als vorher. Darüber könnte ich etwas schreiben bzw. könnte ich lesen, was ich schon geschrieben habe. Das kommt dabei raus, wenn ich nachts wache.

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