Die Stadtneurotikerin

Es war eine gute Idee, gestern nicht zu arbeiten. Das Wetter viel zu verführerisch. Außerdem musste das neue Rad ausprobiert werden. Noch fühle ich mich nicht so mit ihm verbunden wie mit dem alten, aber das hat vielleicht mit dem Oberrohr (feinerer Name für Stange) zu tun, den schmerzenden Handgelenken. Aber sonst ist es ein großer Spaß. Zuerst waren wir am Löwen, ich wollte dem Hausmann den Biergarten zeigen, allerdings war da keine Sonne. Und wegen der sind wir ja losgefahren. Also zu den Wannseeterrassen. Geschlossene Gesellschaft.

Weil das Thema Sonne inzwischen auch keine Rolle mehr spielte, haben wir uns dann bei den Bikern auf der Spinnerbrücke niedergelassen. Da gab es zwar keinen Sonnenuntergang, dafür Mopeds, Karren, Maschinen,  und in kleinen Grüppchen auftretende bayrisch anmutende Damen und Herren. Fesche Dirndl. Zünftige Lederhosn.

Ich habe erst vor kurzem gelesen, dass die Menschen sich mehr nach Heimat sehnen. Nach Volksmusik, Trachten. Vielleicht ist es das, was einige mit Kultur meinen. Berlin hat in dieser Hinsicht nicht viel zu bieten. Da muss fremd gegangen werden. Ich glaube, den meisten in meiner Generation ist das eher suspekt, aber wenn sie gestern den Hoamkemma Jodler von Alfons Hasenknopf aufgelegt hätten, wer weiß, vielleicht wäre mein Kopf auf Hausmanns Schulter gesunken. Hamm se aba nich.