Dieser wunderbare Maientag, und sie ist nicht mehr da. Einmal dachte ich, sie würde mich mit dem halboffenen Auge fixieren, aber wahrscheinlich sah sie längst etwas Anderes. Jedenfalls hoffe ich das. Ich wollte sie trösten, wollte ihr sagen, dass sie keine Angst haben muss. Als wüsste ich Bescheid. Aber worüber in einer solchen Situation sprechen? Was tun? Was wünscht sich ein Sterbender?

Vielleicht, dass ich ihre Hand hielt, sie streichelte. Ihr sagte, wie froh ich bin, ihre Freundin zu sein. Wie lieb ich sie habe. Und dass sie nicht länger kämpfen soll. Alles wird gut. Wir sehen uns. Das glaubte ich in diesem Moment auch. Denn ich „sah“ tatsächlich eine alterslose Version von uns beiden über eine grüne Wiese auf einen Strand zulaufen. Vor uns glitzerte das Meer, als wäre es mit Diamanten übersät. Wie früher warf sie sich sofort mit einem kleinen Schrei in die Wellen, während ich gerade mal einen Zeh ins Wasser hielt.

Ein paar Stunden später  ist sie gestorben. Als ihre Tochter mir die Nachricht schrieb, schlief ich schon. Doch als ich um eins wach wurde, wusste ich sofort, dass sie gegangen war. Die darauf folgenden zwei Stunden bestimmt die merkwürdigsten der letzten Monate. Ich fühlte mich so leicht, fast euphorisch. Als würde ich getragen. Und das warst du meine Liebe.

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