Überall in der Stadt hängen die Plakate. Am Straßenrand. In der U-Bahn. An der Bushaltestelle. Berlin hat nämlich ein Themenjahr. 20 Jahre Mauerfall. Damit möchte die Stadt bzw. ihre Kulturbehörde darauf hinweisen, dass wir etwas zu feiern haben 2009. Den Mauerfall eben. Und dann stelle ich mir sofort diese Mauer vor, wie sie langsam, in Zeitlupe vielleicht, umfällt. Als hätte jemand gepustet. Und schwupps. Weg war sie.

Wenn es doch so einfach gewesen wäre. Oder wenigstens sachlich richtig. Die Mauer ist nicht gefallen, sie wurde geöffnet. Diese Maueröffnung war das Ergebnis der bisher einzigen friedlichen Revolution in Deutschland. Ein Punkt, der den Zuständigen für Festakte in dieser Stadt offensichtlich peinlich ist, oder wie soll man es sich sonst erklären, dass sie darauf verzichten, die Dinge beim Namen zu nennen? Weil es eine extra Ausstellung zu dem Thema „Friedliche Revolution“ auf dem Alex geben wird? Initiiert von der Robert-Havemann-Gesellschaft?

Lieber benutzen die Verantwortlichen die Floskel vom Mauerfall, als einzugestehen, dass den Brüdern im Osten etwas Einmaliges gelungen ist. Ein Volk hat sich eine neue Regierung gesucht. Hat eine Revolution angezettelt, die unblutig endete.

Der Journalist und Autor Michael Jürgs hat in seinem Buch „Wie geht´s Deutschland?“ die Wirkung der friedlichen Revolution von 1989 mit der der französischen Revolution von 1789 verglichen. Er schreibt aber auch: „Dass die Helden bald vergessen waren, dass die Helden selbst bald vergaßen, wie couragiert sie waren, dass bald die Helden vielleicht sogar lieber vergessen wollten, was sie gewagt hatten, liegt sicher auch daran, dass außer an den üblichen Feiertagen ihrer Heldentaten nicht mehr gedacht wird. Fast zwanzig Jahre danach gibt es kein Denkmal, das an die wunderbare Revolution erinnert, an den Sturz der Diktatur.“

Das wird sich in diesem Jahr vielleicht ändern. An vielen Orten der Stadt wird man an das Jahr 89 erinnern, an den Widerstand gegen die Wahlfälschungen in der DDR, an Massenflucht und Montagsdemonstrationen, an die vielen mutigen Frauen und Männer, die mit individuellen Aktionen den Boden bereitet hatten. Gäste aus allen Teilen der Welt werden sich mit den Details dieser Geschichte vertraut machen können. Nur den Ruhm will man den Helden immer noch nicht gönnen. Da schreibt man lieber schwammig „20 Jahre Mauerfall“. Das ist immer noch traurig.

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