Bahnhof Zoo. Während ich ein grünes Thai-Curry verzehre, beobachte ich eine Frau, die zwischen Wurstbude und Taxistand Zigarettenstummel von der Straße aufhebt. Ihre dunklen Haare sind ungepflegt, den Pullover trägt sie verkehrt herum. Das intelligente Gesicht drückt Konzentration aus. Wenn du Zigarettenstummel aufhebst, dann hebst du Zigarettenstummel auf. Zweimal spricht sie in der Zeit vorübergehende Passanten an, ich vermute, sie bittet um etwas Geld. Die Menschen antworten mit Kopfschütteln, offensichtlich haben sie keine Lust, ihr etwas zu geben. Ich bin heute auch schon zweimal gefragt worden.

Meine Fantasie arbeitet. Die dunklen Haare, der dunkle Teint. Vielleicht kommt die junge Frau aus Albanien. Aus dem Kossovo. Egal. Auf alle Fälle tippe ich auf den ehemaligen Ostblock. Sie ist vor Hunger oder Bürgerkrieg geflüchtet, musste Eltern und jüngere Geschwister in der Heimat zurück lassen. Eine traurige, aber auch eine spannende Geschichte. Eine mutige und entschlossene junge Frau, die darauf hofft, dass man ihr für ihre Arbeit hier auf dem Bahnhofsvorplatz ein paar Cent gibt. Schnell trinke ich meine Apfelschorle aus, ich möchte wissen, ob ich Recht habe.

Verzeihung. Darf ich sie etwas fragen?“ Sie nickt, schaut mich aber nicht an. Sie ist auf dem Weg zum nächsten Stummel, bückt sich. Ich laufe ihr hinterher. „Woher kommen sie? Warum tun sie das?“ Sie richtet sich auf, geht ein paar Schritte weiter. „Weil die mir ein Bein festgebunden haben. Geben sie mir einen Euro für Kaffee?“ Das Geld steckt sie wortlos in die Hosentasche, ihre Augen suchen den nächsten Stummel. Für dumme Fragen hat sie keine Zeit.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*