kann man auch zum Abschied sagen. Jedenfalls finden das die beiden Araber, die sich bis eben auf arabisch unterhalten haben und die immer gleich ins englische wechseln, wenn einer der anderen Mitbewohner dazu kommt. Damit alle verstehen, was gesagt wird. Ich finde das sehr höflich. Während die Espressokanne noch vor sich hin röchelt, unterhalten wir uns ein wenig. Nein, wir feiern heute Abend keine Party. Es kommen lediglich ein paar Freunde, man sitzt am Kamin, trinkt, isst Schnittchen, unterhält sich.

Wie sagt man denn, wenn es keine Party ist? Dann ist es ein Treffen. Man trifft sich mit Freunden. Der Iraker lacht. Und es wird wirklich sehr viel geredet, sagt er auf deutsch. Das versteht sogar der Tunesier, der gleich mitlacht. Wir haben ja vorgestern auch sehr viel geredet, und ich hatte den Eindruck, dass er es genossen hat.

Dabei wollte er sich erst gar nicht zu uns setzen, als er von der Arbeit kam. Wir hatten schon mit der Thailänderin und dem Iraker gegessen – typisch deutsch, Kartoffelsalat, Würstchen – aber dann hat er es sich doch anders überlegt, hat sogar ein wenig vom Kartoffelsalat probiert. Würstchen isst er nicht, überhaupt kein Fleisch, manchmal etwas Fisch, und natürlich trinkt er auch keinen Alkohol. Nur wenn er traurig ist, dann besorgt er sich ein Bier und geht an den Fluß. Jedenfalls hat er das so gemacht, als er noch in Paris gelebt hat. Vielleicht geht er hier dann an den See. Oder an die Spree. Egal. Ich habe in den folgenden Stunden einen Menschen kennengelernt, der mich auf eine Weise berührte, wie mir das lange nicht passiert ist. Wenn schon einer erzählt, dass ein Buch sein Leben verändert hat. Das allein ist ja denkwürdig genug. Und wenn es dann noch Nietzsche und der Zarathustra war, den ich selber nach zwanzig Seiten aus der Hand gelegt habe, und das ist noch gar nicht sooo lange her, das haut mich dann irgendwie um. Zumal er dieses Buch nur gelesen hatte, weil er einen Freund verstehen wollte, der nach einem Film so ganz anders argumentierte, als er selbst. Manchmal brauchte er einen Tag, um eine einzige Seite zu verstehen. Aber dann führte die Lektüre dazu, dass er alles, was man ihm bis dahin beigebracht hatte, in Frage stellte. Man könnte auch sagen, die Lektüre brachte ihn dazu, selbständig zu denken. Und wie mir scheint, dauert dieser Prozess bis heute.

Es ist mir außerdem schon lange nicht mehr passiert, dass mich einer meiner ausländischen Mitbewohner fragt, wie ich über mein Land denke, ob und wenn ja, welche Probleme ich mit ihm habe. Er als Emigrant hat andere, das ist ihm bewusst, und er wollte tatsächlich Antworten auf seine Fragen. Glaubt Ihr, dass der Kapitalistmus die beste Gesellschaftsordnung ist? Fördert die Demokratie nicht vor allem den Kapitalismus? Was ist mit Sozialismus? Was haltet Ihr davon? Da sind natürlich ganz unterschiedliche Gedanken zum Vorschein gekommen, der eine sagte so, ich so, das hörte er sich an, überdachte das Gehörte. Das ist ja schon für Einheimische ungewöhnlich. Am Ende haben wir alle fünf ein bisschen die Welt verändert. Vorerst nur am Eßtisch, aber allein der Punkt, dass wir, die wir so unterschiedlich sind, was Alter, Nationalität angeht, die wir so unterschiedliche Erfahrungen haben, dass wir einander zuhören, uns dem anderen öffnen, wenn das kein wichtiger Schritt ist. Pace e bene. Salam Aleikum.

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