Der ist ja heute früh dran, das kann doch höchstens sechs sein, denke ich benommen, auch ein wenig ärgerlich, eigentlich immer noch schlafend. Aber es ist schon halb neun. Ich habe zehn Stunden geschlafen. Durchgeschlafen. Was eigentlich kein Wunder ist, habe ich in den letzten Tagen wieder mal schlecht bzw. wenig geschlafen. Wie immer, wenn anstehende Projekte mich beunruhigen oder gar ängstigen. Abschiede. Umzüge. Schreib- und Leserunden. Und natürlich ist es hinterher auch so wie immer. Ich hätte mir gar keine Sorgen machen müssen. Siehst du. Habe ich dir doch gesagt. Himmelaundzwirn. Als wenn ich das nicht wüsste. Meiner Psyche – dem inneren Kind, panischen Zellen – ist dieses Wissen aber schnurps.

Ich habe die jungen Dichterinnen gestern gar nicht gefragt, ob sie Lampenfieber gehabt haben. Wenn ja, dann ist das nicht aufgefallen. Ein bisschen vielleicht. Vor allem hat es ihnen Spaß gemacht, ihre Texte zu lesen. Das hat man gemerkt. Uns Zuhörer haben sie berührt, anwesende Mütter stolz gemacht. Was jungen Menschen so durch den Kopf geht, was sie bewegt. Der Sinn des Lebens. Gott, der auch nicht so richtig weiß, was das soll. Ich finde es mutig, sich so vor unbekannten Menschen zu zeigen. Aber vielleicht finden sich die jungen Frauen gar nicht mutig, vielleicht findet das nur jemand mutig, der selber ein Schisshase ist.

Ja. Ich hätte mir mehr Interessenten für das Schreib- und Leseprojekt gewünscht. Aber das war nur ein kurzer Moment, in dem ich so dachte. Wieder zu Hause war ich müde und ko, aber ich hatte auch gute Laune und fühlte mich auf wundersame Weise beschenkt. Weil es Spaß macht, mit anderen zusammen kreativ zu sein. Weil wir auch zu viert oder fünft eine Chronik, ein Tagebuch schreiben können. Weil ich mit einer der jungen Dichterinnen einen Briefwechsel beginnen werde. Weil ich neugierig auf sie und auf die anderen und auf ihre Erfahrungen bin. Weil es gar nicht um mich geht, auch gar nicht um mich gehen sollte – dieser Gedanke hat mich gestern tatsächlich vom Lampenfieber befreit – sondern um das gemeinsame Tun. Darum, uns an einem Ort zu begegnen. Einem realen Ort und/oder einem der Worte. Oder wie eine der jungen Dichterinnen schreibt. „Der Himmel leuchtet viel schöner. Wenn wir gemeinsam fliegend seine Sterne sind.“

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