Die Tage rennen an mir vorbei, ich habe mal wieder Mühe, hinterher zu kommen. Besuch bei der Freundin im Krankenhaus, die am Montag operiert wird und neue Hoffnung schöpft. Wie gut sie aussieht trotz Krankheit. Wir reden, lachen, man könnte meinen, ein normaler Freundinnentreff. Wäre da nicht die eigenartige Atmosphäre, die sogar im Besucherraum spürbar ist.

Wir loben die breiten Alleen vor der Tür, stellen uns Spaziergänge unter blühenden Kastanien vor, sehen uns auf weißen Bänken rasten. Alles wird gut. Sagen wir, und wir glauben es auch. 

Zu Hause nur wenig Zeit, ich lese Plotskizzen von den Kollegen im neuen Kurs, schau mir meine noch einmal an, und dann müssen wir schon wieder los. E. hat mich in die Deutsche Oper eingeladen. Beide mögen wir modernes Ballett, sie ist der Ansicht, dass mir Angelin Preljocais Version von Schneewittchen gefallen würde.  Kostüme von Jean Paul Gaultier, Musik von Mahler, und das Bühnenbild genial von Thierry Leproust.

Schon mit der ersten Szene haben sie mich am Haken. Auf der Bühne eine Frau in Schwarz, sie hat Wehen, tanzt die schwierige Geburt, bei der sie stirbt. Der König und das heranwachsende Mädchen, wir sehen nicht viel, wissen aber alles. Und dann ist sie auch schon zur jungen Frau erblüht, die Haare schwarz wie Ebenholz, die Haut weiß wie Milch, falls ich das Märchen noch richtig in Erinnerung habe.

Die böse Stiefmutter, oder vielleicht nur eine böse, eifersüchtige Frau, kann das nicht dulden, sie schickt Soldaten in den Wald, die eine schon etwas angeschlagene Hirschkuh anstelle Schneewittchens töten, ebenfalls eine bewegende Szene, und dann wird die junge Frau auch schon von den Zwergen gefunden.

Zwerge, die sich an Seilen hängend aus dunklen Höhlen in einer grauen Wand nach unten fallen lassen, kopfüber, die an dieser Wand hoch und runter laufen, was man so alles an einer Wand anstellen kann. Allein diese Szene ist so komisch, verspielt, akrobatisch, fantasievoll, dafür hätte sich der Abend gelohnt, wäre da nicht der ganze wunderbare Rest, die großartigen Tänzer, von denen man keinen besonders loben möchte.

Als der junge Prinz seine tote Prinzessin im Wald findet und vor Kummer auf die Knie geht, muss ich erwähnen, dass mir die Tränen in den Augen standen? Aber am Ende wird natürlich alles gut. Und das sollte bitte nicht nur im Märchen so sein.

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