Während ich mit Freundin A. im Café sitze und meine Probleme für bedeutend halte, ich habe gerade mit dem Kollegen gestritten, und nein, so kann Mann nicht mit mir umgehen, bebt in Japan die Erde. Während ich von der allgemeinen Gefühlslage berichte, von den emotionalen Schwankungen, den aus dem Bauch heraus getroffenen Entscheidungen, die ich einen Tag später manchmal schon bereue, von den Fettnäppchen, in die ich offenen Auges hinein stapfe, während ich überlege, ob es womöglich an einer besonderen Planetenkonstellation liegt, die in anderen Teilen der Welt Revolutionen und hier im kleinen meine Eruptionen fördert, Pluto oder Saturn im Dreieck vielleicht, da beginnt im Atomkraftwerk Fukushima womöglich die Kernschmelze.

Ein paar Stunden später dann die Bilder der Katastrophe im Fernsehen, sie kommen mir bekannt vor. Ähnliches habe ich erst vor kurzem nachts in einem Film gesehen. Großes Hollywood-Kino war das. Und jetzt ist es echt. Verdammt. Wackelnde Häuser, Spalten, die sich plötzlich in der Erde auftun, Autos und Schiffe, angezogen von einem starken Sog, die plötzlich im Wasser verschwinden. Chaos und Entsetzen. Wie viele Opfer wird es noch geben? Das müssen doch viel mehr als 1000 Tote sein, wie zählen sie das überhaupt? Und wie kann man denen helfen, die jetzt um das nackte Überleben kämpfen? Der atomare Notstand wurde ausgerufen. 

Mir ist plötzlich so kalt, ich kann gar nicht mehr aufhören zu zittern. Da nützt kein Tee, keine Decke. Natürlich ist mir klar, dass es kein Tsunami bis nach Berlin schaffen wird.  Aber wenn laut Chaostheorie der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Hurrikan auslösen kann, warum sollte ein solches Ereignis folgenlos für den Rest der Welt bleiben? Warum sollte ich mich zurücklehnen und entspannen können? Zumal ich mich bei diesen Bildern nicht entspannen kann.

Vielleicht ist es nach einer Weile die Erkenntnis, dass wir Menschen, wie fortschrittlich wir auch sind, wie viel wir auch zu wissen glauben, nicht alles planen, nicht alles beeinflussen können, die Natur schon gar nicht, die mich demütig stimmt und paradoxerweise sogar wärmt. Wir sind und wir bleiben verletzlich, vielleicht müssen wir immer mal wieder daran erinnert werden. Nur müsste es nicht unbedingt mit dem Holzhammer sein. 

Viel kann ich nicht tun in diesem Augenblick. Aber gleich morgen werde ich den Kollegen anrufen. Er wird es nicht so gemeint haben, und ich hätte mich einsichtiger zeigen können. Komisch, dass ich immer erst hinterher klüger bin.

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