Durch die Luisenstraße zur Alten Pinakothek, wo sich Herr W., der extra aus Berlin gekommen ist, um nach der Beerdigung ein paar Tage mit mir zu verbringen, den alten Meistern widmen wird. Mich zieht es zu den Fotos von Aenne Biermann, August Sander, Germaine Krull und anderen, die unter der Überschrift „Die neue Wirklichkeit“ in der Pinakothek der Moderne, gleich nebenan also, gezeigt werden. Der glückliche Münchner zahlt am Sonntag nur 1,- Euro Eintritt für die Staatlichen Museen, was mich zu der Überlegung veranlasst, im Anschluss vielleicht noch Cy Twombly im Museum Brandholst zu besuchen.
Friedrich Seidenstückers „Freundinnen“, drei Frauen unter einem Mantel, aufgenommen an der Bahnstation Krumme Lanke, das Foto erinnert mich an die Schwestern, bei denen es heute wahrscheinlich ein köstliches Osterfrühstück gegeben hat, ohne mich, das ist schade, aber nun bin ich hier, und das ist jetzt, wo alles vorbei ist, auch sehr angenehm.

Karl Blossfelds Fotos von Pflanzen könnten ebenso gut mittelalterliche Folterwerkzeuge darstellen, der Ackerschachtelhalm sieht wie die Spitze eines Minaretts aus, und der Winterschachtelhelm ginge glatt als modernes Sexspielzeug durch. Aenne Biermanns „Pictures of Anneliese Schiesser“ finde ich nicht nur sachlich, sondern auch ausgesprochen schön, und August Sander gibt mir Rätsel auf. Was bedeutet „Frau im fortgeschrittenen Intellekt“ ?

Nach einer Pause in dem lichtdurchfluteten Café, das mich tatsächlich an ein Tortenstück erinnert, laufe ich noch einmal durch die hellen Räume, und dann verfalle ich eher zufällig den Bildern von Jochen Klein, einem Maler, von dem ich noch nie gehört habe, der gerade mal dreißig geworden ist, und dessen Bilder mich sogar über eine größere Distanz in ihren Bann ziehen, mich verstören und in den nächsten Stunden noch verfolgen werden. Keine Frage, dass ich für Cy Twombly dann doch zu erschöpft bin.

Ich schaffe es gerade noch in den Englischen Garten, wo es dann später richtig zünftig wird. Der typisch bayrische Biergarten also. Man sitzt inmitten von Amerikanern, Italienern, Indern, trinkt ein Maß (heißt auf bayrisch natürlich anders) oder ein halbes, dazu isst man eine Brezel, riesengroß, aber tatsächlich sehr lecker, und im Chinesischen Turm sitzt eine Blaskapelle in Lederhosen und weißen Kniestrümpfen. Man wippt dezent im Takt, obwohl Blasmusik, also wirklich.

Herr W. sagt „Wenn ich ganz bei mir bin, dann kann ich auch ganz bei jemand anderem sein.“ Das klingt irgendwie logisch, und weil ich von dem Tag, von der hinter mir liegenden Beerdigung, den langen Gesprächen, dem Ausflug zum Starnberger See am Samstag, weil ich von all dem so müde bin, da lasse ich das mal unkommentiert.

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