Noch früher als sonst aufstehen, dafür fahre ich mal wieder über den See. Die Fähre gar nicht so leer, wie ich mir das vorgestellt habe. Wenn sie jetzt noch Kaffee an Bord verkaufen würden, das wäre was. Eigentlich wollte ich nur still,  meditativ also, aus dem Fenster schauen, aber dann schreibe ich doch ein paar Fragen auf, die ich dem Leiter der Einrichtung später stellen könnte. Mit dem Wort Einrichtung tu ich mich schon wieder schwer, ich stelle mir was anderes darunter vor, aber wie soll man sonst sagen? Kommune? Camp? Und Heim klingt ja noch blöder.

Wie viele Jugendliche, welches Alter, wie viel Mädchen (keine) Betreuerschlüssel (noch so ein komisches Wort), wie lange bleiben die Jugendlichen im Durchschnitt, klappt es mit den Schulen, dem Deutschunterricht, so was halt. Hätte ich mir aber alles nicht aufschreiben müssen, denn der freundliche und kompetente Chef (warum sind die Leiter dieser Einrichtungen eigentlich immer Männer, wo doch das Team vor allem aus Frauen besteht?) erklärt nicht nur ausführlich, sondern auch so, dass das Zuhören Spaß macht.

Keinen Spaß machen die immer gleichen Erkenntnisse. Dass die Behörden Dinge beschließen, die nicht realisiert werden. Die vielleicht von Anfang an nicht realistisch sind. Die Jugendlichen würden z. B. gern in eine Schule gehen, aber das klappt für die meisten nicht. Und auch wenn ein Junge in seiner Heimat schon Ringer war, wenn dieser Sport ihm hier in der Fremde vielleicht helfen würde, dann darf er den nicht ausüben, weil Kampfsport verboten ist.

Trotzdem wird auch oft gelacht, allerdings vergeht uns das Lachen, wenn wir z. B. realisieren, dass der 17jährige aus der kleinen Geschichte eben – sechs Jahre war er unterwegs, sechs Jahre auf der Flucht, in dieser Zeit hat er hart arbeiten müssen, ohne Bezahlung meist – der war gerade mal elf Jahre alt, als er seine Heimat verlassen hat. Mir zumindest stehen dann die Haare zu Berge. Und das sind ja noch die harmloseren Geschichten. Ob ich eines Tages abgehärtet bin? Andererseits – ist das erstrebenswert?

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