Mein Balkon ist gut besucht. Vor allem die Amseln scheinen die dunklen Früchte des Efeu zu lieben. Gestern war sogar eine Singdrossel da. Der Walnussbaum entrollt die ersten Blätter. Dazu dieses Licht, der süße Duft. Wenn man schon sterben muss, warum nicht im Sommer? Oder im Frühling? Über diese Frage konnten wir uns gestern nicht einigen, nachdem wir uns das Gedicht von Gottfried Benn „Was schlimm ist“ gegenseitig vorgelesen hatten.

Eigentlich eine neue Deutsch-Lektion für die Spanierin. Nach dem ersten Lesen nähern wir uns dem Inhalt. Welche Wörter sind unbekannt? Wie kann ich sie erklären? Hölderlinvers und die Erde für Spaten leicht z. B. Wir lesen laut, leise, abwechselnd, was sich gerade so anbietet.

Der Hausmann und die Spanierin wollen jedenfalls nicht im Sommer sterben. Sie finden das geradezu empörend. Während ich mir denke, vielleicht bin ich im Winter schon länger nicht draußen gewesen. Vielleicht fühle ich mich deprimiert. Und dann auch noch sterben. Im Sommer dagegen, wenn die Fenster weit offen, wenn eine Brise den Vorhang bewegt, wenn Amseln und Blaumeisen zwitschern, dann könnte es vielleicht annehmbarer sein. Nur heute noch nicht. Das würde mir gerade nicht passen.

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