Gott sei Dank habe ich diese Migräneattacken nur selten. Stundenlang bin ich nur Kreatur. Alles, was mir sonst wichtig scheint, ist bedeutungslos. Liegen und fühlen, diesen bohrenden Schmerz im Hinterkopf, der alle anderen Empfindungen überdeckt, mehr ist nicht drin. Und dann, wenn der Schmerz langsam verschwindet, die Auferstehung. Kleine Schritte. Ein Kaffee im Garten. Als wäre ich neu geboren. Sogar lesen ist am Abend möglich.

James Hillman schreibt in seinem großartigen Buch „Vom Sinn des langen Lebens“, dass der alternde Mensch alles, was er erlebt, zu psychologischen Erkenntnissen verarbeiten kann. Der junge Mensch hat für derartiges keine Zeit, und das ist auch gut so. Der alte oder ältere Mensch dagegen liegt nachts häufig wach. Oft wird das als unangenehm empfunden. Müsste  es aber nicht, wenn man sich für die Nacht öffnen und dem bisher Unterdrückten Raum geben könnte. Wenn man sich mit unangenehmen Erkenntnissen konfrontiert. Damit formen und erweitern wir unseren Charakter. Interessante Überlegungen, über die ich gerne nachdenke. Noch interessanter sein Konzept von Seele, die sich mit zunehmenden Alter nach einem Reich sehnt, „das nicht von Logik oder Pragmatismus erfasst werden kann.“

Vielleicht bin ich schon als sehr alter Mensch auf die Welt gekommen. Denn ich habe immer diese Sehnsucht nach einem Anderswo gespürt, nach einem Ort, den ich nicht definieren kann. Ich fühle mich mein ganzes Leben lang ein wenig fremd hier. Auf das Wort Verbannung bin ich bisher noch nicht gekommen, aber es trifft mein Empfinden gut. Keine Ahnung, was ich getan habe und warum ich hierher geschickt wurde. In mir scheint es eine Sehnsucht zu geben, die nicht das Irdische betrifft. Davon sprach auch Goloka vor ein paar Tagen, er benutzte das Wort Transzendenz. Dieser Sehnsucht ist nicht mit Religion beizukommen. In meinem Fall jedenfalls nicht. So viel ist schon mal klar.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*