Es gibt so Tage. Da ergibt sich eins aus dem anderen. Und am Ende ist es gut. So heute. Auf meine spontane Anfrage hin habe ich tatsächlich einen Termin bei dem wunderbaren Osteopathen bekommen. Die Mutter meiner Kieler Freundin freut sich, wenn ich bei ihr in Celle einen Zwischenstopp einlege, bevor ich von Kiel zurück nach Berlin fahre. Ich könnte auch gerne länger als eine Nacht bleiben, sie würde sich freuen, was wiederum mich freut, allerdings habe ich ja schon andere Pläne. Sie wird mich aber nach der Behandlung abholen, was nicht nur sehr nett, sondern auch sinnvoll ist.

Erfahrungsgemäß bin ich nach der Stunde ein wenig tüttelig, neben mir würde auch passen. Ausruhen wird ausdrücklich empfohlen. Also alles im Sack, wie man so sagt. Auch das Zimmer in Quedlinburg, die diversen Bahnticketts. Und dann hat sich auch noch eines dieser Gespräche ergeben, die sich schlecht planen lassen, die mich aber so froh stimmen, wenn ich sie erlebe. Unser junger Tunesier ist in dieser Hinsicht immer für eine Überraschung gut. Er ist neben dem Hausmann der Einzige in der WG, der von sich aus ein Gespräch sucht. Sonst bin eher ich es, die Fragen stellt, die sich nach dem Befinden der Mitbewohner erkundigt, was man eben so macht als Herbergsmutter und was auch okay ist.

Der Tunesier ist eben anders. Da kommt schon mal die spontane Frage, was ich gerade lese, ob und wie Lektüre mich beeinflusst hat und immer noch beeinflusst. Und dann setzt er sich zu mir an den Tisch – manchmal stehen wir auch in der Küche beim Reden – und dann ergibt eins das andere. Bei ihm habe ich nicht das Gefühl, dass er small talk machen oder höflich sein will, denn er hört sehr interessiert auf das, was ich sage, es ergeben sich neue Fragen. Und natürlich höre auch ich ihm zu. Ich höre ihm nicht nur zu, manchmal kommt es mir vor, als würde ich ihm beim Denken zuschauen. Meist kommt bei diesem Prozess etwas heraus, was mich erstaunt und/oder zum Überdenken meiner eigenen Positionen anregt.

Gestern waren wir noch einmal bei Nietzsche, dessen Lektüre ihn in Kombination mit dem Sehen einer Netflix-Serie über Titanen sozusagen erweckt hat. Er ist zu der Erkenntnis gekommen, dass das meiste von dem, was man ihm über Religiosität beigebracht hat, falsch ist. Dieser Prozess der Auseinandersetzung hat allerdings 2 Jahre gedauert. Dann war er damit durch. Über all das kann er allerdings mit kaum jemanden in seiner Heimat reden. Was er auch nicht länger macht. Er kennt die Reaktionen. Ah. Du bist dem westlichen Einfluss erlegen. Und dann lächelt der Andere und tätschelt ihm gönnerhaft die Schulter. Oder sein Gegenüber fühlt sich angegriffen. Wie kannst du es wagen? Unsere Priester, unsere Familien kennen die Wahrheit. Was erlaubst du dir? Ein anderer Freund geht fort, redet mit seiner Familie, mit anderen Freunden über den, der wohl ein bisschen verrückt geworden ist. Und dann meidet man ihn eben fortan.

Mein junger Freund ist klug. Er möchte niemanden missionieren. Zumal ihm klar ist, dass dies in einem einfachen Gespräch gar nicht möglich wäre. Wie soll ein anderer binnen kurzer Zeit zu einer Erkenntnis gelangen, für die er selbst 2 Jahre gebraucht hat? Was wird er also tun, wenn er wieder zu Hause ist? Nach außen ein Leben wie alle anderen führen. Und in Gedanken frei sein und andere gefährliche Bücher lesen. Interessante Parellelen, die ich da zwischen uns entdecke. Gut, dass wir geredet haben.

Einen Kommentar schreiben

Ihre Daten werden niemals an Andere weiter gegeben.
Die Email-Adresse wird nicht angezeigt. Notwendige Felder sind so markiert: *

*
*