Freundin K. gefällt meine Idee, sich im Museum eine Stunde vor ein Objekt zu setzen und es genau zu betrachten. Vor allem gefällt ihr die Idee, darüber zu schreiben. Und natürlich (warum eigentlich?) würde sie im Anschluss auch sehr gern vorlesen, was sie geschrieben hat. Ob sie mich vielleicht einmal begleiten dürfte? Natürlich darf sie.

Ohne ene mene muh gehen wir gleich in die Alte Nationalgalerie. Dort sollte man mich inzwischen kennen. Vor allem sollte man nicht plötzlich die Regeln ändern. Was heißt hier, die Tasche wird in der Garderobe abgeben? Und was ist mit meinem Smartphone, mit dem ich immer die Fotos? Und das Schreibzeug? Ich bin immer mit dieser Tasche. Die Dame am Einlass bleibt unfreundlich schnippisch. „Na und? Jetzt müssen sie eben.“

Muss ich erwähnen, dass ich verstimmt bin? Aber dann hat jede doch schnell ihr Bild gefunden, ich sogar eines mit einer Bank davor. In meinem derzeitigen Schmerzzustand wäre eine Sitzung auf dem Boden eher unerfreulich. Eine Skizze mit angedeuteten nackten Menschen zum Thema Sommer von Viktor Müller. Ich habe noch nie von Viktor Müller gehört. Mein Gott, was ich alles nicht weiß.
Ohne Absicht bewegen sich meine Augen dann aber ständig von den Nackten fort hin zu einer Frau, die mich aus dem benachbarten Bild heraus anzusprechen scheint. Ein dunkler Hintergrund, aus dem heraus die junge Frau geradezu leuchtet. Ein draller weißer Körper, die blonden Haare fallen über die Schulter.

Bitte, dann sehe ich mir eben nicht die Nackten sondern Salome an. Dass sie einen Teller hält, auf dem sich das Haupt des Johannes befindet, bemerke ich erst Minuten später. Die junge Frau leuchtet zu stark. Und ich werde jetzt ständig abgelenkt, weil an mir vorbei Frauen mit größeren und kleineren Taschen schlendern. Und wir mussten unsere abgeben. Ein Akt der Willkür also, wie ich es schon vermutet hatte. Womöglich hat mich mein Unterbewusstsein zu Salome geleitet, weil ich gern das Haupt der Einlassdame…..
Am Ende haben wir uns im Restaurant unsere Überlegungen nicht vorgelesen, wir haben sie uns erzählt. Was ich viel netter fand. Zu Hause google ich dann die Geschichte von Salome und dem Johannes, und siehe da, mit meiner Version der Geschichte lag ich ziemlich daneben. Aber das spielt keine Rolle, denn ich kann immer noch sehen, wie Salome leuchtet.

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