Aufstehen kurz vor 7. Noch 20 Minuten im Bett verplaudern, verkuscheln, Kaffee bzw. Milch trinken, dann muss die Große auch schon zur Schule. Obwohl sie viel lieber bei mir bleiben würde, weil ich nämlich so kuschlig bin. Wenigstens spricht sie nicht wieder von Heirat. Ich schau mir dann zum 50sten Mal mit der Kleinen das Wimmelbuch an. Allerdings muss ich jetzt nicht mehr fragen, wo der Hund, die Katze, die Ente, der Clown, das Baby ist, jetzt muss ich mir Geschichten und Namen ausdenken. „Wie heißt der?“ Es empfiehlt sich, vertraute Namen zu verwenden, die Frage wird penetrant wiederholt.  

Dann ist die Mama wieder da, ein zweiter Kaffee auch, wie sie den wieder so schnell, aber natürlich muss die Mama jetzt zur Uni, deswegen bin ich schließlich da, und ebenso natürlich kommt sie bestimmt gleich wieder. Versprochen. Keine Tränen, das ist schön. Und was machen wir zwei? Ich hätte es mir denken können. Das Wimmelbuch. Episode vier.

Nach dem Mittagsschlaf, den ich zwar im Bett, aber keinesfalls schlafend verbringe, sondern mit zunehmender Begeisterung in dem Buch „Ruhelos“ von William Boyd lesend, gibt es Suppe, die noch von gestern übrig ist. Erstaunlich, was die Kleine so wegputzt, und dann ist sie im Gegensatz zur Großen auch überhaupt nicht mäklig, sie isst alles, was man ihr vorsetzt, mit großem Vergnügen.

Ein kleiner Spaziergang wird uns gut tun. Auch wenn es vor dem Fenster wenig einladend aussieht. Graue Wolkendecke. Nebel. Als hätten wir schon November. In dem kleinen schrulligen Bioladen kaufe ich Milch, Käse, Wein. Länger müssen wir dann auch nicht draußen bleiben.

Die neue Wohnung ist um einiges günstiger als die alte, Schimmel gibt es hier auch nicht, dafür ist es immer frisch, sind meine Hände und Füße immer kalt. Einfache Fenster, eine nicht so gut funktionierende Gasheizung, das erklärt einiges. Es empfiehlt sich, die Stiefel anzubehalten. Die Kleine in den Hochstuhl, sie wünscht Malheft und Stifte, ich zücke mein Schreibheft, und dann fällt mir ein, dass es noch kein Jahr her ist, dass ich mit der Großen auch schon so saß. Im Café. An anderen Orten.

„Soll isz ein Boot malen?“ Ich nicke. Sie malt. Ich sage „Oh! Ja!“ Obwohl ich natürlich kein Boot erkenne. Ist das pädagogisch? Lobeshymnen liegen mir nicht. Sie malt, ich schreibe, beobachte sie. „Wo ist das Ruderboot eigentlisz?“ „Eigentlisz“ ist derzeit ihr Lieblingswort. Es kann sein, dass sie morgens im Flur steht, die Hände in die Höhe gereckt und wissen will, wo eigentlisz ihr Ranzen ist. Sie hat keinen. „Ein Regenbogen für Menszen und Omas.“ Na, das ist doch fein. „Einer für mich und du.“ Schön, ich kriege also auch einen. „Das sind Augen.“ „Von wem?“ „Das weiß isz noch nisz. Weiß noch nisz, wie das Ende heißt.“ Ist ja auch nicht so wichtig. Ein paar Minuten vergehen in wunderbar schweigender Eintracht. „Wer bist du eigentlisz?“ Das ist die wohl fieseste Frage des Tages.

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