Gestern haben wir nicht nur unser Mittagessen auf der Terrasse verspeist, wir haben auch abends wieder im Vorgarten gesessen. Schon wieder Crémant getrunken. Das hatte dem Hausmann und mir am Sonntag nämlich gut gefallen. Und der Freundin auch, die ich zu Kaffee und Kuchen eingeladen hatte. Erst schien sie mir recht blaß, kein Wunder, sie hat gerade eine Lungenentzündung hinter sich, doch nach zwei Stunden war  ihr Gesicht jung und rosig. Schieben wir es auf den Crémant.

Natürlich hatte es wieder mit dem „aber nur einen winzigen Schluck“ angefangen. Dann wurden es immerhin zwei winzige. Was vielleicht an der Schönheit des Nachmittags lag, dem besonderen Licht, unserem netten Gespräch, der entspannten Atmosphäre im Vorgarten. In dem sie noch nie zuvor gesessen hatte, obwohl sie doch auch ein paar Jahre hier in der WG gelebt hat.

Wie gut, dass wir immer wieder neue Erfahrungen machen können. So wie ich z. B. gerade mit dem Künstler Christoph Schlingensief. Der mich früher wenig interessierte, dessen Buch „Ich weiß, ich war’s“ ich aber gerade mit großem Interesse lese. Mich berührt die Ehrlichkeit, mit der er über sein Leben, die Höhen und Tiefen, auch über die Fehler, Ängste und Sorgen berichtet. Und mich ärgert es mit acht Jahren Verspätung, dass ein Journalist der Zeitschrift „der Freitag“ dem Künstler und anderen Betroffenen vorgeworfen hatte, sie würden Bekenntnisliteratur schreiben. Wo doch eigentlich nur der Mensch wahre Größe zeigt, der sich genau das verbietet (bitte leidet doch alle still vor euch hin) und andere mit seinen Wehleidigkeiten, seinen Schmerzen und Ängsten nicht belästigt. Was so ein menschlicher Geist doch ersinnen kann, wenn man ihn frei  lässt. Und was schrieb Schlingensief zur Erwiderung? „Ich werde bis zum letzten Moment von dem erzählen, was Sie sich nicht vorstellen können.“ Mir gefällt das. So sollten wir es halten.

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