Aufregende Tage. In Kreuzberger Straßencafés sitzen, den Leuten hinterher sehen, reden, sich Anekdoten aus dem eigenen Leben erzählen. Erstaunt sein über Parallelen, die Gegensätze interessant finden. Eigentlich sollten wir uns längst voneinander verabschiedet haben. So viel gäbe es für ihn und mich zu erledigen. Stattdessen trinken wir den nächsten Cappuccino, schauen uns neugierig in die Augen. Wer bist du?

Im Hammett frage ich den Mann an der Kasse, vielleicht der Besitzer, nach guten Krimis für die vier Wochen Prignitz, die vor mir liegen. Gerne gebraucht, ich mag die nordischen Schreiber. Ob er mir da etwas empfehlen kann? Gerade als ich das fünfte Buch in die Hand gedrückt bekomme und mir der Mann erklärt, warum es ihm so gut gefallen hat, sehr detailliert und klug macht er das, meldet sich mein Handy. Das Amt hat geschlossen. Ob wir noch einen Kaffee? In zehn Minuten?
Ich kaufe die empfohlenen fünf Krimis, drohe aber damit, sie wieder zurück zu bringen, sollten sie mir nicht gefallen. Der Mann lacht, er hat längst gemerkt, dass ich gute Laune habe, und sagt, damit hätte er kein Problem. Und dann sitze ich schon wieder im Café.

Irgendwann bin ich dann doch in der Wohnung in Tiergarten und warte auf die zwei jungen Frauen aus Hamburg, die ab Montag ein vierwöchiges Praktikum in den Virchow-Kliniken absolvieren werden. Angehende Medizinerinnen, die extra noch einmal angerufen haben, um sich zu vergewissern, dass sie willkommen sind.

Hier riecht alles nach Abschied. Ein paar Möbel fehlen bereits, auch Geschirr, im Balkonzimmer hängen Hemden an leeren Regalen, so sieht es also aus, wenn es endgültig vorbei ist. Oder wie Tucholsky sagen würde, und darum wird beim Happy End im Film jewöhnlich abjeblend. Ich bin traurig und glücklich. Beides gleichzeitig. Das geht.

Ich habe aufgeräumt, Unterlagen und Papierkram in Schränken verstaut, Wäsche gewaschen, Betten bezogen, gesaugt, gewischt, sogar ein paar Fenster habe ich geputzt, jedenfalls da, wo man es sieht, wieder ein Potemkinsches Dorf, aber nun ist alles frisch, riecht auch so, und ich, ich bin völlig ko. Aber auch aufgekratzt, und deswegen tanze ich noch ein wenig zu den Dixie Chicks.

Dann die vorläufig letzte Nacht in Nikolassee. Da ich so müde bin, liege ich um neun im Bett, schlafe sofort ein. Nachts weiß ich mal wieder nicht, wo ich bin. Wahrscheinlich wird es mir gut tun, dass ich mich in den nächsten vier Wochen immer am selben Ort aufhalte, ein solideres Leben führe. Keine Ablenkungen. Jeden Tag ein paar Stunden arbeiten. Regelmäßig essen. Vögel beobachten. Und nur und zu mal einen Blick ins Postfach werfen.

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