die Straße von gestern. Leider nicht in meiner Erinnerung. Sonst wäre ich heute Nachmittag bei meinem ersten Erkundungsgang alleine ja richtig gelaufen. Aber nein, ich habe es wie so oft in den letzten Wochen gemacht und mich direktemang in die entgegengesetzte Richtung des gesuchten Objektes bewegt. Anscheinend gibt es hier mehr als einen Turm. Der gefundene war auch nicht schlecht, aber eben nicht der, der mich gestern Abend so beeindruckt hatte.

Die Freundin wollte mir den Supermarkt zeigen. Direkt neben der Tankstelle. Den könne ich gar nicht verfehlen. Dann die Straße zurück, einmal rechts und dann wohl wieder links, und plötzlich waren ein Turm und eine umrankte Pforte aus dem Nebel aufgetaucht. Geheimnisvoll. Ich habe mich sofort verliebt. Schon wieder. Dabei hatte ich mich doch erst ein paar Stunden zuvor in den Mann verliebt, neben dem ich bis Mannheim gesessen hätte, wenn ich mir nicht noch im Berliner Hauptbahnhof einen anderen Platz gesucht hätte. Hätte hätte. Ich sitze nun mal lieber allein. Habe ich diesmal ein wenig bedauert. Ein großer Mann. Jünger vermutlich. Ein schönes Lächeln, das sieht man ja selbst mit Maske. Dann lächeln die Augen. Schöne Hände. Die hatte ich meist im Blick, wenn ich denn blickte. Oft hielten sie sanft ein Smartphone. Oder packten die blaue Brotdose aus. Gesunde Vollkorn-Brote. Scheibchen von Möhrchen. Einmal war er aufgestanden, um die junge Frau hinter mir darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns in einem Ruheabteil befanden. Ich hätte mich bei ihm bedanken sollen. Ich habe sie trotz Kopfhörer und Travis gehört. Das wäre ja bis Mannheim so weiter gegangen mit ihr und dem Gequake.

I don’t know anything about him…Aber darum geht es ja auch gar nicht. Es ist ein schönes Gefühl, sich in einen Unbekannten zu verlieben. Romantische Gefühle für ein paar Stunden. Und dann steigt man aus, die richtige Straßenbahn muss gefunden, das Umsteigen sollte nicht verpasst werden, aber die Freundin hatte mir alles so gut beschrieben, da hätte nicht mal ich mich verfahren können, und dann ist es auch wieder vorbei mit der Verliebtheit.

Jetzt bin ich hier. Allein in einer geschmackvoll eingerichteten, hellen, wunderbar aufgeräumten Wohnung, in der alles frisch und picobello ist. Ich könnte nach Heidelberg fahren. Könnte in der Umgebung wandern. Ich könnte mich aber auch nur an den schönen alten polierten Tisch am Balkonfenster setzen, alle halbe Stunde ein paar Wörter schreiben, und dann wieder aus dem Fenster schauen. Wenn es mal nicht darauf hinausläuft.

 

 

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