der Tankstelle ist mein Fixpunkt. Nicht nur, wenn ich bei den Gleichgewichtsübungen auf einem Bein stehe. Sie leuchtet freundlich zu mir herüber, wenn ich vom Laptop aufblicke, vom Buch, vom Schneidebrett. Wenn ich sie nach einem Spaziergang entdecke, dann freu ich mich, weil ich ohne Navi den Weg zurück zu ihr gefunden habe. Eigentlich wollte ich heute nach Heidelberg, die Bahn-Tickets habe ich gestern am Automaten gekauft, aber es sieht so wenig einladend aus draußen, da bleibe ich doch lieber hier. Mache mir das Kürbisgericht, von dem der Taxifahrer gerade erzählt hat.

Und dann lese ich weiter in dem Buch „Und was wird aus mir“ von Doris Dörrie, das ich in der gut sortierten Bibliothek meiner Freundin gefunden habe. Ich glaube, sie hat längst einen Vorsprung in Bezug auf die Anzahl der gelesenen Bücher. Früher war das anders. So vor 35 Jahren. Damals kannten wir uns noch nicht persönlich, hatten nur voneinander gehört. Es gäbe da in Berlin/in Mannheim eine Frau, die würde genauso viel lesen. Das macht schon neugierig.

Und dann ist das mit dem Lesen bei mir irgendwie weniger geworden in den Jahren. Ich lese immer noch, aber längst nicht mehr so viel. Es passiert auch häufiger, dass ich ein Buch nach 40 oder 50 Seiten weglege. „Das blaue Kleid“ von Doris Dörrie, das von zwei Menschen erzählt, die auf unterschiedliche Weise mit den großen Verlusten in ihrem Leben umgehen, das habe ich vorgestern in einem Rutsch ausgelesen. Um mir dann sofort das nächste Buch von der Autorin zu greifen. Sie erzählt mit einem ziemlichen Tempo, da schreibt eine eben auch Drehbücher, die Sprache ist schnörkellos, ich werde geradezu eingesaugt in die Geschichte.

Am Anfang war ich ein wenig empört, weil der Geist einer 16jährigen japanischen Selbstmörderin mir ein bisschen to much schien. Aber je länger ich lese, umso plausibler wird mir die Story, und die Tote ist auch eher eine Randfigur. Es geht um die großen Fragen. Was ist wichtig? Was wird aus mir? Eine tolle Geschichtenerzählerin, die Frau Dörrie. Um die gar kein Bohei gemacht wird. Warum eigentlich nicht?

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