Dem Eichhörnchen ist das Wetter egal. Es schaukelt im Baum herum, mal auf diesem Ast, mal auf jenem, gibt  eigenartige Laute von sich, während es unsere Haselnüsse frisst. Ganz entspannt im Hier und Jetzt. Da kann man unten herum hopsen und drohen, es hält sich höchstens die dicke Wampe vor Lachen. Viel zu lachen hatte ich am Wochenende nicht, und das lag nicht nur am Regen. Stundenlang das Filmmaterial sichten, da streikt nicht nur der Rücken, auch die Halswirbel nehmen nach einer Weile eine neue Position ein.

Doch die Arbeit hat sich gelohnt, es gibt ein paar gute Sequenzen für meinem ersten Kurz-Film, der „Ein Buch sucht einen Verlag“ heißen wird. Die Freundin heiter und gelöst vor der ersten öffentlichen Lesung aus ihrem Roman. Eine Szene zusammen mit den schönen Schwestern. Weihnachten mit der Familie, sie singen einen Kanon. Zwei Wochen später blickt sie im Krankenhaus optimistisch in die Zukunft. Sogar die doofen Ablehnungen hat sie mir relativ entspannt vorgelesen. Und Gott sei Dank ist alles gut geworden, ein Verlag ist gefunden, in drei Wochen wird das Baby das Licht der Welt erblicken.

Ob mein Film jemals dieses Licht erblickt, das steht in den Sternen. Oder liegt in den Händen der netten Cutterin, die mir beim Sommerfest praktisch vor die Füße bzw. die Linse gelaufen ist, und mit der ich einen Termin in der nächsten Woche habe.  Ob ich das Schneiden nicht vielleicht selbst…? Nein, will ich nicht.

Da ich mich ein wenig belohnen wollte, habe ich mir in Babelsberg gleich zwei Filme hintereinander angesehen. „Nichts zu verzollen“ hat mich zwar kurzfristig aus dem Regenloch heraus geholt, länger in Erinnerung bleiben wird er mir nicht. Eine Kleinstadt an der Grenze zwischen Belgien und Frankreich. Ein belgischer Zöllner, der alles französische und vor allem die Franzosen hasst, und ein französischer Zöllner, der nun ausgerechnet die Schwester dieses verrückten Belgiers liebt. Wie die beiden dann eine gemischte Zollpatrouille bilden, nachdem es keine Grenze mehr gibt, das ist manchmal komisch, aber meine Begeisterung hielt sich in Grenzen.

Von „Blue Valentine“ hatte ich die Trailer gesehen und war sofort von der Musik begeistert, nicht der schlechteste Grund, um sich einen Film anzuschauen. Ein Paar, das sich nicht mehr viel zu sagen hat, dazu eine kleine Tochter, ein verschwundener Hund. Und dann sehen wir im Rückblick, wie das alles angefangen hat.

Zwei junge Menschen, die sich zufällig in einem Altenheim treffen. Dean, der als Möbelträger arbeitet, und Cindy, die Medizin studiert und regelmäßig ihre Großmutter besucht, und die ganz bestimmt niemals eine Ehe führen will, die der ihrer Eltern gleicht. Irgendwann stehen die beiden auf der Straße, Dean singt, nicht richtig gut, wie er sagt, er muss doof singen, und Cindy steppt dazu. Und so geht sie dann los, diese Liebesgeschichte, von der wir von Anfang an wissen, dass sie nicht gut endet. You always hurt the one you love.

Die beiden bekommen ein Kind, wahrscheinlich nicht einmal Deans Kind, das weiß er, aber trotzdem lässt er sich ein auf das Abenteuer Familie, so wie auch Cindy es tut. Er schleppt weiter Möbel und streicht Häuser, und sie wird keine Ärztin, sondern Krankenschwester. Und keiner weiß am Ende, was aus dem Potential geworden ist, über das sie beide doch ohne Zweifel verfügen. Muss man überhaupt irgendetwas darstellen oder aus sich machen? Genügt es nicht, eine Wand zu streichen und sich der Familie zu widmen?

Vielleicht wird deswegen im Film bei einem happy end jewöhnlich abjeblendt. Nachdem man das Scheitern dieserEhe, dieser Liebe aus der Nähe betrachtet hat, könnte man denken, besser ist es. Muss man ja nicht unbedingt sehen, wie das den Bach runter geht. Schon gar nicht, wenn einem keine Alternativen einfallen.

Ist es unausweichlich, dass man den oder die, die man liebt, verletzt? Weil es gar nicht anders geht (es sei denn, man hat sehr, sehr großes Glück und darf gleich über „Los“ gehen)? Was könnte man tun, um dem auszuweichen? Reden? Mehr schönen Sex haben? Gar nicht erst anfangen?

Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass ich gern Deans Hals geküsst hätte. So wie Cindy das am Anfang wohl auch mochte. So wie wir eben Körperteile uns nahe stehender Menschen küssen und berühren wollen, und dann verliert man das irgendwie aus den Augen. Irgendwann kann man sich nicht mehr daran erinnern, dass es doch einmal so inspirierend war.

Damit könnte man vielleicht anfangen. Eine Liste machen. Oder einzelne Zettel. Darauf könnte dann stehen: Küsse immer mal wieder seinen Hals. Schau auf seinen schiefen Mund, wenn er schüchtern lächelt. Hör ihm zu, wenn er singt und glaubt, dass er allein ist. Na, was eben jede so auf ihre Zettel schreibt.

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