Auf dem Heimweg fängt der Mann in der U-Bahn an zu singen. Wir haben gerade über den Film geredet, den wir zusammen mit Freunden in Babelsberg gesehen haben. Ein guter Film. Auch gut beobachtet. Worüber reden Menschen, wenn sie behaupten, erstmal jedenfalls, überhaupt kein Problem mit dem Alter und dem Altern zu haben? Zeit ist genug, denn sie warten auf Guilia, die eigentlich mit ihnen zusammen ihren 50. Geburtstag feiern will. Feiern soll. Darum geht es in dem Film „Guilias Verschwinden“, der nach einem Roman von Martin Suter entstanden ist. Schöne Rolle für Corinna Harfouch, die die Guilia spielt, und die auf dem Weg zu ihrer Geburtstagsfeier merkt, wie sie langsam unsichtbar wird.   

Ein völlig normaler Vorgang also, der den meisten Frauen, die die 50 überschritten haben, nicht unbekannt sein dürfte. Andere sehen über einen hinweg. Sehen einen gar nicht. Männer sowieso. In bestimmten Läden empfinden einen die Verkäuferinnen  als Ärgernis, nur weil man es wagt, den Kopf herein zu stecken.  Guilia wird natürlich nicht nur übersehen. Bruno Ganz erkennt sofort, was für eine tolle Frau da neben ihm im Kaufhaus Brillen aufprobiert. Und Guilia schwänzt dann beinahe ihren eigenen Geburtstag.

In einem Nebenstrang sieht man, wie in einem Altersheim eine 80jährige, auch sie feiert ihren Geburtstag, von Fettnapf zu Fettnapf springt. Den Chor, der ihr zu Ehren ein altes deutsches Volkslied anstimmt, vergrault sie mit der Mitteilung, dass sie Chöre hasst. Gemischte Chöre. Frauenchöre. Kinderchöre. Alle Chöre eben.

Und darum geht es in unserer Unterhaltung. Ich kann mir nämlich sofort vorstellen, wie ärgerlich ich wäre, würde mir jemand „Im schönsten Wiesengrunde“ singen, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Das findet der Mann nun nicht. Was ich denn gegen Volkslieder habe? Und fängt gleich an „Am Brunnen vor dem Tore“ zu singen. Das U in Brunnen noch viel länger als in Bruni (Carla). Und das R rollt er. Ganz verzückt sieht er dabei aus. Ich erwarte fast, dass ihm jemand 1 Euro gibt. Damit er wieder aufhört. Einen Euro bekommt er nicht, aber die Frau, die mit uns zusammen aussteigt, ist ganz begeistert. Das sollte man unbedingt wieder tun. Volkslieder singen. Sie findet das Klasse. Und er singt doch so gut. Und weil ich nun schon angesteckt bin, singen wir von der U-Bahn bis zur Hansa-Brücke „Wenn alle Brünnlein fließen“. Zweistimmig natürlich.

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