Manche sahen aus, als würden sie gleich anfangen zu weinen. Andere wirkten abwesend, ärgerlich, verkrampft, unzufrieden, frustriert, je älter, um so grotesker. Aber auch schon bei vielen Jungen: Gesichter zur Faust geballt. Und das an einem sonnigen Freitag, halb 12 auf der Schloßstraße. Nur wenige Ausnahmen. Eine schwarze Frau, ohne erkennbaren Grund lächelnd. Ein singender junger Mann. Eine weißhaarige Frau in einem Elektro Rollstuhl, die eine Art stiller Heiterkeit ausstrahlte. 

„Achtet auf die Gesichter. Die schaut euch an. 20 Minuten, dann kommt zurück.“ Hatte der Kroate gesagt. Der uns jeden Tag aufs Neue herausfordert, uns dazu ermuntert, unsere Grenzen zu erweitern, vor allem auch die Grenzen unserer Wahrnehmung. Ich war erstaunt. Berührt geradezu. Ist das immer so? Und ich sehe das nur nicht? Die meisten Menschen sahen aus, aus wären sie ziemlich unglücklich. Ist das real? Das Gesicht als Spiegel der Seele?Und was würden diese Menschen sagen, wenn man sie fragte, wie sie sich fühlen? Würden sie dann behaupten, sie wären glücklich?

Natürlich dachte ich nach dem ersten Schock auch darüber nach, wie ich selber wohl gerade aussah. Vermutlich auch nicht so glücklich. Vom Husten geplagt, die Nase verstopft oder laufend, da ist Lächeln nicht das erste, was mir einfällt. Habe dann aber trotzdem.

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